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„Deutschland ist ein Wärmepumpen-Hochpreisland“

Bild 1 Thomas Nowak: „Mit Digitalisierung und Standardisierung kommt ein massiver Umbruch auf das SHK-Handwerk zu.“

Nathanael Lacourt

Bild 1 Thomas Nowak: „Mit Digitalisierung und Standardisierung kommt ein massiver Umbruch auf das SHK-Handwerk zu.“

Der Wärmepumpenmarkt hat gegenwärtig in ganz Europa einen Dämpfer erhalten. Die Absatzzahlen sind insgesamt rückläufig und auch die politische Unterstützung hat teilweise erheblich nachgelassen. Diese Situation stellt sich in Deutschland ganz ähnlich dar. Über die Hintergründe und Perspektiven sprach Tim Geßler aus der Redaktion Wärmewende für den GEB mit dem Generalsekretär des europäischen Wärmepumpenverbands (EHPA) Thomas Nowak. Nachdem im ersten Teil des Interviews Europa im Fokus stand, geht es nun um die Entwicklung in Deutschland und die europäische Sicht auf den deutschen Markt.

Tim Geßler: Herr Nowak, der Blick von außen kann ja sehr bereichernd sein. Wie wird der deutsche Wärmepumpenmarkt in Europa gesehen?

Thomas Nowak: Zunächst einmal haben die Produkte eine hohe Qualität und die wird auch wahrgenommen. Da ist die deutsche Markenwelt mittlerweile auch auf die Wärmepumpe übertragen worden. Das ist umso bemerkenswerter, weil die deutschen Hersteller nicht immer die Innovationsführer in Europa waren. Man hat lange gewartet, wie sich der Markt entwickelt. Das lag sicher auch daran, dass die großen Hersteller in Deutschland alle Vollsortimenter sind. Dadurch hat sich auch der deutsche Wärmepumpenmarkt langsamer entwickelt.

Mittlerweile werden die deutschen Hersteller aber als Treiber des Marktes wahrgenommen. Man sieht die großen Investitionen, die getätigt worden sind, und dass da ein Umschwung stattgefunden hat. Wir arbeiten in Europa jetzt gemeinsam darauf hin, dass die Wärmepumpe zur Standard-Heiztechnologie wird.

Geßler: Gibt es noch weitere Besonderheiten?

Nowak: In Deutschland sind wassergeführte Systeme extrem stark vertreten. Dadurch hat auch die Geothermie eine größere Bedeutung als in anderen Märkten, während Luft/Luft-Wärmepumpen kaum anzutreffen sind. Letzteres liegt sicher auch daran, dass die Installateure in Deutschland die Wärmepumpe eher als Austauschgerät für den alten Heizkessel sehen.

Ab einem bestimmen Effizienzstandard halte ich Luft/Luft-Geräte aber für eine Lösung, mit der man den Bestand gut ertüchtigen kann. Auch im Renovierungsbereich, gerade wenn keine wassergeführte Heizung vorhanden ist, können Luft/Luft-Wärmepumpen einen Beitrag zur Wärmewende leisten. Sie sind in jedem Fall mehr als nur Klimageräte.

Eine weitere Besonderheit ist, dass in anderen Ländern größere Installationsunternehmen existieren, während die Betriebsstruktur in Deutschland noch sehr kleinteilig ist. Das macht den Wärmepumpenhochlauf gerade aus Sicht des Vertriebs deutlich schwieriger. Hier kann man sicher von einer spezifisch deutschen Herausforderung sprechen.

Thomas Nowak

Michel Petillo

Thomas Nowak

 
 
Thomas Nowak (Jahrgang 1970) hat nach seinem Diplom-Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paderborn als Berater an Projekten zu den Vorteilen einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien mitgewirkt. Seit 2006 vertritt er den Europäischen Wärmepumpenverband EHPA als Generalsekretär. Damit repräsentiert er den Sektor gegenüber den politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in Brüssel, Europa und weltweit. Seine Hauptaufgaben liegen in der Begleitung der Energiegesetzgebung und dem Herausarbeiten der Vorteile der Wärmepumpentechnologien für die europäischen Energie- und Klimaziele. Er ist zudem für das Management und die kontinuierliche Weiterentwicklung des Verbands verantwortlich. www.ehpa.org

Geßler: In Deutschland wird dieses Jahr im Wärmepumpenmarkt mit einer Seitwärtsbewegung gerechnet, womit auch die politischen Ziele verfehlt werden. Wie wird sich der Markt aus Ihrer Sicht entwickeln?

Nowak: Das stimmt, aber ich bin trotzdem optimistisch. Die Öl- und Gaspreise werden aufgrund der CO2-Bepreisung steigen und ich glaube, dass wir über die Einführung von flexiblen Stromtarifen günstigere Betriebskosten für die Wärmepumpe realisieren können. Dann fehlt nur noch die Absenkung des Strompreises. In Summe erhalten wir so ein besseres Preisverhältnis von Strom zu Gas und damit auch eine bessere Wirtschaftlichkeit – und diese wird wiederum zu steigender Nachfrage führen.

Zudem ist die große Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) endlich erledigt und es kehrt wieder in Ruhe in den Markt ein. Dazu kommt die wirklich gute Förderkulisse, auch wenn die Regierung aufgrund ihrer schlechten Kommunikation nicht davon profitiert. Der Klima-Geschwindigkeitsbonus und die Förderung für Leute mit niedrigerem Einkommen sind gute Ansätze. Wenn jetzt noch der Antragsprozess bei der KfW beschleunigt werden kann, hat man einiges geleistet.

Nach einem Jahr „Zwangspause“ steht damit einer Renaissance der Wärmepumpe in Deutschland nichts entgegen. Und ich denke, das werden wir im dritten und vierten Quartal 2024 auch sehen.

Bild 2 Absatzentwicklung Wärmepumpen in Deutschland von 2004 bis 2023 nach Wärmepumpentypen.Anmerkung zu den Absatzzahlen (nachgetragen, 21.03.2024): Die BDH/BWP-Statistik erfasst mit „in den Markt gebracht“ über detaillierte Meldungen der Hersteller quasi das Verlassen des Werksgeländes und eilt damit den tatsächlichen Installationen voraus. Auch wenn sich der Lagerbestand im Großhandel und bei Handwerksbetrieben ändert, ergeben sich Verschiebungen. In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass einige Großhändler die Nachfrage im Jahr 2023 deutlich höher eingeschätzt hatten. Im Dezember 2023 lagen die Schätzungen für „Wärmepumpen in Regalen beim Großhandel und bei Heizungsbauern“ zwischen 65 000 bis 80 000 Stück. Zudem wurden Anfang 2023 Wärmepumpen ausgeliefert, die die Kunden schon gerne vor dem Jahreswechsel 2022/23 in Betrieb genommen hätten. Diese Verschiebungen erklären einen Teil der Diskrepanz zwischen Absatzrekord und Unzufriedenheit über die stockende Nachfrage bei den Herstellern.

Bundesverband Wärmepumpe

Bild 2 Absatzentwicklung Wärmepumpen in Deutschland von 2004 bis 2023 nach Wärmepumpentypen.
Anmerkung zu den Absatzzahlen (nachgetragen, 21.03.2024): Die BDH/BWP-Statistik erfasst mit „in den Markt gebracht“ über detaillierte Meldungen der Hersteller quasi das Verlassen des Werksgeländes und eilt damit den tatsächlichen Installationen voraus. Auch wenn sich der Lagerbestand im Großhandel und bei Handwerksbetrieben ändert, ergeben sich Verschiebungen. In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass einige Großhändler die Nachfrage im Jahr 2023 deutlich höher eingeschätzt hatten. Im Dezember 2023 lagen die Schätzungen für „Wärmepumpen in Regalen beim Großhandel und bei Heizungsbauern“ zwischen 65 000 bis 80 000 Stück. Zudem wurden Anfang 2023 Wärmepumpen ausgeliefert, die die Kunden schon gerne vor dem Jahreswechsel 2022/23 in Betrieb genommen hätten. Diese Verschiebungen erklären einen Teil der Diskrepanz zwischen Absatzrekord und Unzufriedenheit über die stockende Nachfrage bei den Herstellern.

Geßler: Ein Grund für die Zurückhaltung der Kunden in Deutschland sind die stark gestiegenen Wärmepumpen-Gesamtsystem-Preise. Man hört immer wieder den Vorwurf, dass die Anlagen in anderen EU-Ländern deutlich günstiger sein sollen. Stimmt das?

Nowak: Das kann ich so bestätigen. Deutschland ist ein Wärmepumpen-Hochpreisland. Und die Unterschiede zu anderen Ländern sind zum Teil sehr groß. In England kostet eine durchschnittliche Luft/Wasser-Wärmepumpen-Installation den Endkunden rund 10 000 Pfund, das sind etwas weniger als 12 000 Euro. Das ist weniger als die Hälfte von dem, was man gegenwärtig in Deutschland bezahlen müsste.

Geßler: Warum ist die Wärmepumpe woanders so viel günstiger?

Nowak: Da spielen aus meiner Sicht viele verschiedene Faktoren rein. In England sind Gas-Heizungen immer noch sehr stark im Markt vertreten und deren Installation kostet nur etwa 2500 Pfund. Die Wärmepumpe ist also selbst mit 10 000 Pfund immer noch viermal so teuer. Viel mehr kann man da einfach nicht nehmen.

„Wenn die Wärmepumpe in Deutschland zur Standard-Heiztechnologie wird, dann werden auch die Preise fallen. Heute bewegt sich ein Großteil des Wettbewerbs im qualitativ hochwertigen Segment. Es gibt nicht viele Hersteller, die robuste und günstige Geräte anbieten. Aber auch da wird ein Markt entstehen.“ Thomas Nowak

In anderen Ländern wie Schweden haben hingegen Luft/Luft-Wärmepumpen einen hohen Marktanteil. Die sind ebenfalls wesentlich günstiger, wodurch ein höherer Preisdruck für Luft/Wasser-Systeme entsteht. Außerdem ist der Wärmepumpenmarkt dort bereits seit langem etabliert, sodass sich durch Erfahrungswerte auf allen Seiten einfach ein anderes Preisgefüge etabliert hat. Gleichzeitig findet der Wettbewerb zwischen den Wärmepumpenlösungen statt.

Demgegenüber hat sich die Wärmepumpe in Deutschland erst sehr spät am Markt durchgesetzt. Sie gilt hier immer noch als Premiumlösung, die auch entsprechend kostet. Außerdem haben wir höhere Ausbildungsstandards und auch schärfere gesetzliche Anforderungen etwa an die Gerätesicherheit. Man zahlt zum Teil also auch für mehr Qualität. Dazu kommt dann der höhere bürokratische Aufwand auf allen Ebenen.

Ich denke, wenn die Wärmepumpe in Deutschland erstmal zur Standard-Heiztechnologie wird, dann werden auch die Preise fallen. Heute bewegt sich ein Großteil des Wettbewerbs im qualitativ hochwertigen Segment. Es gibt nicht viele Hersteller, die robuste und günstige Geräte anbieten. Aber auch da wird ein Markt entstehen.

Geßler: Sie haben eben von einer Zwangspause gesprochen. Diese könnte man auch als Chance sehen, um sich für einen zukünftigen Markthochlauf besser aufzustellen. Kann Deutschland da von anderen europäischen Ländern lernen?

Nowak: Der erste wichtige Punkt wären vorausschauende Investments auf Seiten der Stromnetzbetreiber. In Irland gibt es beispielsweise den Vorschlag, die Infrastruktur bei einer Netzänderung gleich mit Blick auf das Jahr 2050 zu planen. Das Ziel ist es also, die zukünftig wahrscheinliche Menge an Ladestationen und Wärmepumpen schon jetzt zu berücksichtigen. Wird also eine Trafostation ausgetauscht, so muss deren Leistung bereits heute für den möglichen Bedarf im Jahr 2050 ausgelegt sein.

Bild 3 Thomas Nowak: „Nach einem Jahr ‚Zwangspause‘ steht einer Renaissance der Wärmepumpe in Deutschland nichts entgegen.“

EHPA / Vivian Hertz

Bild 3 Thomas Nowak: „Nach einem Jahr ‚Zwangspause‘ steht einer Renaissance der Wärmepumpe in Deutschland nichts entgegen.“

Als Zweites bräuchten wir eine Anlaufstelle für Eigentümer in Form eines „One Stop Shops“. Dort erhält man eine unabhängige Betreuung rund um die Sanierung von A bis Z. Das ist nicht nur die Energieberatung, sondern es schließt vorab auch die Finanzierung und Förderung sowie die Prüfung von Handwerkerangeboten und hinterher eine Qualitätskontrolle mit ein. Auch dieses Modell gibt es in Europa, beispielsweise in Irland und Frankreich und es schafft viel Vertrauen bei den Kunden.

Und wir müssen mehr Installationskapazitäten für Wärmepumpen schaffen. Nützlich wären hier sowohl Quereinsteiger für die Übernahme einfacherer Tätigkeiten als auch eine eigenständige spezialisierte Ausbildung, sodass nicht immer zwei Gewerke – Elektro und SHK – benötigt werden. Die Anteile des vermittelten Wärmepumpenwissens in der klassischen Ausbildung lassen sich sicher noch steigern.

Geßler: Das ist ein umstrittenes Thema. Die Verbände sind fest überzeugt, dass das deutsche SHK-Handwerk den Wärmepumpenhochlauf aus eigener Kraft stemmen kann. Was genau schlagen Sie demgegenüber vor?

Nowak: Ich will der Verbändemeinung erstmal nicht widersprechen, aber ein paar Fragen hätte ich schon. Braucht man wirklich einen voll ausgebildeten Anlagenmechaniker SHK, um eine Wärmepumpe zu installieren? Zumindest was die rein handwerkliche Leistung wie Einbringung, Verrohrung etc. angeht. Kompetenz ist bei der Planung und Auslegung gefragt oder etwa im Service. Aber für die reine Montage könnte ein Ausbildungsprogramm für Quereinsteiger die Kapazitäten deutlich erhöhen. Mehr Hände auf der Baustelle würden an vielen Stellen für Entspannung sorgen.

Weiter verstehe ich, dass die Bereiche Sanitär und Heizung bei der Ausbildung zusammen vermittelt werden. Aber muss das so sein? Wenn wir einen eigenen Ausbildungsgang Wärmepumpeninstallateur hätten, könnte die Ausbildung entweder kürzer oder tiefgehender sein. Das würde sich auf jeden Fall lohnen, weil die Spezialisierung auf die Wärmepumpe eine sichere berufliche Perspektive für die nächsten 20 bis 30 Jahre bietet.

Geßler: Und wie gehen andere europäische Länder mit der Ausbildung von Fachkräften um?

Nowak: Die sind da deutlich flexibler. Dort gibt es aber in der Regel auch nicht so eine strenge Ausbildungsordnung wie in Deutschland. In England etwa werden die Leute einfach „on the job“ ausgebildet. Allerdings haben Installateure dort auch ein kein besonders hohes Ansehen.

In Deutschland hingegen wissen die Kunden die Qualität einer guten Heizung zu schätzen, deshalb genießt auch der Heizungsinstallateur eine ganz andere Wertschätzung. Das ist auch in anderen Ländern mit traditionell starken Ausbildungsordnungen so, beispielsweise in Österreich und in der Schweiz.

„Während in anderen Ländern größere Installationsunternehmen agieren, ist die Betriebsstruktur in Deutschland noch sehr kleinteilig. Das macht den Wärmepumpenhochlauf gerade aus Sicht des Vertriebs deutlich schwieriger. Hier kann man sicher von einer spezifisch deutschen Herausforderung sprechen.“ Thomas Nowak

In vielen Ländern wie etwa Schweden gibt es, wie schon erwähnt, vornehmlich größere Installationsbetriebe mit 100 Mitarbeitern und mehr. Dort ist gegenwärtig eher die Reduzierung der Installationszeiten ein Thema, sodass man mit demselben Mitarbeiterstamm mehr Aufträge schafft. Es geht hier also um die Prozessoptimierung von den Fahrtkosten bis hin zu den Personentagen. Da spielen Digitalisierung und Standardisierung eine wichtige Rolle. Und das sind ja im Prinzip genau die Themen, die sich auch die „neuen“ Startups als Mitbewerber am Markt auf die Fahnen schreiben.

Geßler: Da geben Sie mir gleich das nächste Stichwort. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von neuen Unternehmen, die mit anderen Konzepten und einer weitgehenden Digitalisierung europaweit in die Märkte gehen. Wie sehen Sie deren Entwicklung in Deutschland?

Nowak: Für diese Unternehmen ist der deutsche Markt attraktiv, weil er auf Handwerkerseite noch so kleinteilig ist. Betrachten wir das Erfolgsmodell von 1Komma5° im Photovoltaiksektor. Die haben gezielt Handwerksunternehmen mit ein paar Millionen Euro Umsatz angesprochen und denen folgendes Angebot gemacht: Wir stellen euch eine zentrale Infrastruktur mit Administration und Einkauf zur Verfügung und steigern die Profitabilität eures Unternehmens deutlich, ohne dass ihr dafür mehr arbeiten müsst. Das funktioniert und ist für viele Handwerksbetriebe verlockend.

Bild 4 Thomas Nowak: „Auf Fernwärme zu setzen könnte aufgrund der langen Planungsvorläufe und unklaren Kostenentwicklung finanziell eine riskante Strategie sein.“

EHPA / Vivian Hertz

Bild 4 Thomas Nowak: „Auf Fernwärme zu setzen könnte aufgrund der langen Planungsvorläufe und unklaren Kostenentwicklung finanziell eine riskante Strategie sein.“

Und es ist einfach nur eine Frage der Zeit, bis das im Wärmepumpenmarkt auch passiert. Was ja auch logisch ist. Denn allein durch die Beschleunigung und Zentralisierung der Abläufe hat man schon viel gewonnen. Ergänzend lässt sich noch die Konfektionierung der Produkte und Zubehörteile für die Baustelle optimieren. Das machen zwar auch schon einige Hersteller für die Installateure. Aber ich glaube, Aggregatoren wie 1Komma5° können das noch mal viel besser.

Zudem ist es eine deutsche Eigenart, dass die Hersteller bzw. Anbieter keine eigenen Installateure beschäftigen. Auch das wird durch die neuen Marktteilnehmer bereits in Frage gestellt. Hier kommt ein massiver Umbruch auf das SHK-Handwerk zu. Wir reden hier von disruptiver Innovation und darauf werden sich die Betriebe einstellen müssen. Anbieter wie thermondo, Aira, Enpal oder Octopus Energy fokussieren auf entsprechende Optimierungspotenziale entlang der Wertschöpfungskette. Sie streben gleichsam danach, neue Zielgruppen für die Wärmepumpe zu erschließen.

Geßler: Zum Abschluss noch ein kleiner Blick in die Glaskugel: Der deutsche Markt ist gegenwärtig sehr stark auf Luft/Wasser-Monoblock-Wärmepumpen ausgerichtet. Gleichzeitig rückt im Zuge der kommunalen Wärmeplanung zunehmend das Thema Wärmenetze in den Fokus. In welche Richtung wird sich der Markt aus Ihrer Sicht entwickeln?

Nowak: Das ist ein sehr relevantes Thema. Für den Einfamilienhausbereich sind Wärmepumpenlösungen verfügbar. Mit den Propan-Wärmepumpen können wir da aufgrund der höheren Vorlauftemperaturen auch in energetisch weitgehend unsanierten Gebäuden Energie sparen. Und wenn sich jetzt der Strompreis noch ein bisschen verändert, wird man dabei auch Geld sparen.

Die zentrale Frage ist, wie wir die Mehrfamilienhausgebiete zukünftig energetisch ertüchtigen können. Da herrscht noch Unsicherheit. Und hier auf die Fernwärme zu setzen, ist sicher eine Möglichkeit, könnte aber aufgrund der langen Planungsvorläufe und unklaren Kostenentwicklung finanziell eine riskante Strategie sein.

„Es ist eine deutsche Eigenart, dass die Hersteller bzw. Anbieter keine eigenen Installateure beschäftigen. Neue Marktteilnehmer stellen dies in Frage. Hier kommt ein massiver Umbruch auf das SHK-Handwerk zu. Wir reden hier von disruptiver Innovation und darauf werden sich die Betriebe einstellen müssen.“ Thomas Nowak

Ich bin ein großer Fan davon, Energiekreisläufe zu schließen. Deshalb halte ich es für sinnvoll, die Versorgungsinfrastruktur in Städten – auch dort, wo es klassische Nahwärme gibt – um ein thermisches Netz zu ergänzen. Das Konzept wird in Deutschland häufig als kalte Nahwärme bezeichnet und wird von vielen Marktteilnehmern als ein vernünftiger Ergänzungsschritt zwischen traditioneller Nah- oder Fernwärme und dezentralen Heizungslösungen gesehen.

Bild 5 Absatzzahlen für Wärmepumpen in Deutschland im Jahr 2023: Die Nachfrage hat sich noch weiter in Richtung Luft/Wasser-Wärmepumpen und hier zur Monoblockbauweise entwickelt.

Bundesverband Wärmepumpe

Bild 5 Absatzzahlen für Wärmepumpen in Deutschland im Jahr 2023: Die Nachfrage hat sich noch weiter in Richtung Luft/Wasser-Wärmepumpen und hier zur Monoblockbauweise entwickelt.

Diese Netze haben viele Vorteile: Sie lassen sich günstig verlegen, sind in der Planung leichter auszulegen und können neben dem Wärme- auch den Kältebedarf der umliegenden Gebäude decken. Dazu muss ich nur ein zusätzliches Doppelrohr in der Straße verlegen und habe dann ein thermisches Netz, das sowohl als Wärmequelle als auch als -senke dient. Im Sommer kann so auch die bei der Kühlung entstehende Abwärme an einer anderen Stelle im Netz zur Verfügung gestellt werden.

Der Betrieb eines solchen thermischen Netzes wäre auch ein Geschäftsmodell für die Stadtwerke oder andere Energieversorger, indem man der Allgemeinheit den Zugang zum Netz auf Gebäudeebene zur Verfügung stellt. Die Entscheidung wie und wann dieses Netz dann für das jeweilige Gebäude als Quelle oder Senke genutzt wird, läge dann beim Eigentümer. Das würde in Summe zu wesentlichen energieeffizienteren Städten führen. Zumal einzelne Gebäude oder auch Wohnungen schrittweise nach und nach angeschlossen werden könnten. Ähnliches gilt für kommerzielle Gebäude und Rechenzentren.

Geßler: Reden wir dann in Mehrfamilienhäusern vornehmlich von kleinen Wärmepumpen auf Wohnungsebene, etwa anstelle der Etagenheizung?

Nowak: Nein, es geht erstmal darum, eine zentrale Wärmequelle oder -senke bereitzustellen. An dieses Netz kann ich dann je nach Gebäude sehr flexibel unterschiedliche Wärmepumpen anschließen. Das kann eine große Wärmepumpe für ein Hotel oder ein Bürogebäude sein, viele kleinere für einzelne Appartements oder etwas dazwischen – je nach Bedarf und Betreiberkonzept. Der große Unterschied ist, dass ich dann keine Außeneinheiten, wie bei Luft/Luft- oder Luft/Wasser-Wärmepumpen, benötige und die Wärme im Gebäude flexibel nutzen kann.

Und je größer das thermische Netz wird, desto mehr Speichervolumen habe ich zur Verfügung. Das ermöglicht dann den Brückenschlag zur Systemintegration ins Stromnetz. Also beispielsweise, indem eine große Wärmepumpe an einer zentralen Stelle im Netz für eine Grundtemperatur sorgt. Ist viel grüner Strom verfügbar, kann ich die Temperatur erhöhen und den Strom so in Form thermischer Energie speichern.

„Wärmepumpen haben in Deutschland eine hohe Qualität und die wird auch wahrgenommen. Da ist die deutsche Markenwelt mittlerweile auch auf die Wärmepumpe übertragen worden. Das ist umso bemerkenswerter, weil die deutschen Hersteller nicht immer die Innovationsführer in Europa waren.“ Thomas Nowak

Geßler: Wir sollten also eigentlich nicht auf die Fernwärme setzen, wo momentan ja der Fokus liegt, sondern vielmehr auf die kalte Nahwärme?

Nowak: Wir müssen die Temperatur auch in bestehenden Netzen absenken. Und wenn man das tut, kann man zumindest dort, wo man neu baut, auch gleich kalte Netze bauen, die auf Umgebungstemperatur arbeiten. Derartige Netze ließen sich auch am Rücklauf bestehender Fernwärme anbinden und würden dort die Effizienz erhöhen.

Damit schließen wir unsere Energiekreisläufe, denn die Abwärme des einen ist die Nutzwärme des anderen. Und genauso, wie wir auf der Stromseite zukünftig immer mehr dezentrale Produzenten und Konsumenten haben, sehe ich das auch als Entwicklungsperspektive für die Wärmeseite.

Die traditionelle Großinfrastruktur ist hier zu ineffizient und hat ausgedient. Ich glaube, dass dem thermischen Netz mit seiner größeren Flexibilität und wesentlich größeren Effizienz die Zukunft gehört.

Geßler: Herr Nowak, vielen Dank für das Interview und den interessanten Ausblick zum Abschluss.