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Schlank, effizient, grün

Auf die Frage, wie denn die Energiewende im Gebäude­sektor konkret aussehen kann, gibt das auf Bau und Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer mit seinem Neubau an den Oberen Waldplätzen 12 in Stuttgart eine konkrete Antwort. Insbesondere die Fassade des Leuchtturmprojektes „OWP 12“ hat es in sich, deren PV-Module – inklusive der PV-Anlage auf dem Dach – in Kombination mit Geothermie maßgeblich die regenerative energetische Versorgung sichern. Für den lang gestreckten, dreigeschossigen Plusenergie-Büroriegel (Abb. 2) nahmen Drees & Sommer rund 22 Millionen Euro in die Hand und gaben sich in nahezu allen Belangen der Architektur und Technik nicht mit Standards zufrieden (Abb. 3). Das Gebäude erzeugt bilanziell übers Jahr gesehen nicht nur mehr Energie als es im Betrieb verbraucht, sondern hinterlässt am Ende seiner Standzeit überwiegend wiederverwendbare Baumaterialien oder übergibt die schadstofffreien Materialien dem biologischen Kreislauf – Details zu deren chemischer Beschaffenheit sind in einem sogenannten Materialausweis dokumentiert.

2 Die Lage an einem viel befahrenen Autobahnzubringer erforderte die weitgehende Entspiegelung der PV-Module an der Fassade.

Bild: Drees & Sommer

2 Die Lage an einem viel befahrenen Autobahnzubringer erforderte die weitgehende Entspiegelung der PV-Module an der Fassade.
3 Die Komponenten des Energiekonzeptes für das Plusenergie-Bürogebäude basieren auf regenerativen Energieträgern: jeweils zur Hälfte Geothermie und PV.

Bild: Drees & Sommer

3 Die Komponenten des Energiekonzeptes für das Plusenergie-Bürogebäude basieren auf regenerativen Energieträgern: jeweils zur Hälfte Geothermie und PV.

Der hängende Garten von Drees & Sommer

Doch zurück zur Fassade, die nicht nur in äußerst zurückhaltender Moduloptik gehörig Solarstrom liefert (70 MWh/a), sondern auf rund hundert Quadratmetern und über eine Höhe von zwölf Metern zudem mit einem vertikalen, in verschiedenen Farben blühenden Pflanzengrün aufwartet. Insgesamt elf verschiedene Pflanzen, sommergrün, immergrün und mit Blühphänologie in sechs Farben, sorgen für ein lebendiges und dynamisches Blätter- und Blütenbild. Penibel nach Plan (Abb. 4) in das mit Spezialsubstrat befüllte Vlies „eingetopft“, wachsen Gräser zum Beispiel neben China-Wald-Geißbart, Bergenie Oeschberg mit schöner Herbstfärbung oder Purpurglöckchen und verweben sich so zu einem bunten Pflanzteppich, dessen Muster sich von Frühjahr bis Herbst immer wieder ändert. So ganz nebenbei galt es hierfür so einige technische Hürden zu nehmen – neben der Bewässerung über ein Freispiegelgefälle, die sich aus den drei Zisternen auf dem Dach speist, gab es auch Brandschutzfragen zu lösen.

So erfüllt das nicht brennbare Vlies aus einem Basalt-Glas-Gemisch die A2-Anforderung – für den Nachweis gab es extra einen Großbrandversuch im Prüflabor. Nur die Pflanzen selbst und das Topfrohr könnten im Brandfall in Flammen aufgehen. Jedoch sorgt in extremen Hitzeperioden ein Nachspeisesystem aus dem Frischwasserkreis dafür, dass die Pflanzen nicht ausdörren und sich somit leicht entzünden könnten. Der prallen Sonne sind die Pflänzchen ohnehin nicht ausgesetzt, da sich das Grün-Paneel an der Nordseite des Gebäudes befindet. Die für das Wachstum nötige photosynthetische Strahlung ist hier trotz Eigenverschattung zur Genüge vorhanden. Ungeachtet der Orientierung reduzieren Pflanzen und Bewässerung die Temperaturen in der Hinterlüftungsebene, was auf passivem Weg zur Klimatisierung der dahinter liegenden Büroräume beiträgt.

Die Kosten für die Grünfassade verteilen sich auf Unterkonstruktion (300 bis 500 Euro/m², je nach System), das technische Equipment zur Bewässerung und Bepflanzung (ca. 100 Euro/m2) und die Bepflanzung selbst (ca. 150 Euro/m2). Für den Unterhalt sind übers Jahr rund 45 Euro zu kalkulieren, die sich zu zwei Drittel auf die Grünflächenpflege und zu einem Drittel auf die technische Prüfung und Wartung verteilen.

4 Die nicht brennbaren Vlies-Pflanztaschen der Grünfassade sind exakt nach Plan mit elf verschiedenen Pflanzen bestückt, die übers Jahr in sechs verschiedenen Farben blühen.

Bild: Drees & Sommer

4 Die nicht brennbaren Vlies-Pflanztaschen der Grünfassade sind exakt nach Plan mit elf verschiedenen Pflanzen bestückt, die übers Jahr in sechs verschiedenen Farben blühen.

Überaus schlanke PV-Fassade

Die PV-Module in der modularen e-coFACE-Fassade sind an Süd- und Westfassade installiert und tragen 40 % zur solaren Energieproduktion bei, die restlichen 60 % stammen von der PV-Anlage auf dem Flachdach (gesamt: 243 kWp).

Die PV-Module an der Fassade parallel zur Autobahn verfügen über ein spezielles und strukturiertes Deckglas, das die behördliche Auflage erfüllt, im Sinne der Verkehrssicherheit die Spiegelung und Reflexion weitgehend zu reduzieren. Die Energieversorgung des Gebäudes erfolgt somit strombasiert, wobei die Geothermie die Luft-Wasser-Wärmepumpen hälftig mit unterstützt. Zudem ist bereits die Option für einen Stromspeicher mitgedacht und dessen Installation vorbereitet.

Die lediglich 210 mm schlanke und modular aufgebaute Fassade unterschreitet die geforderten U-Werte um bis zu 50 %, was hinsichtlich Dimensionierung und Dämmleistung auf die nur 30 mm dicken Vakuum-Isolations-Paneele und die hoch effiziente Verglasung zurückgeht. Eine konventionelle Fassade mit vergleichbaren energetischen Werten hätte es auf eine Querschnittsdicke von mindestens 400 mm gebracht. Somit ließ sich diese Konstruktionsfläche sinnvollerweise der Nutzung zuschlagen, was einen Flächengewinn von immerhin 0,2 m² pro Meter Fassade für die 200 Mitarbeiter in dem neuen Gebäude ergab. Auf der rund 7000 m² umfassenden Bruttogeschossfläche sind neben den Büros auch ein großer Konferenzbereich, grüne Wohlfühloasen (Abb. 5), eine Cafeteria, eine Kantine für bis zu 1000 Mitarbeitende und eine Terrasse untergebracht.

Ausführliche Videos zur Konzeption des Gebäudes finden sich unter dem Hashtag #OWP12 Innovation Journey auf YouTube unter: ­https://bit.ly/GEB_2501

5 Auch im Gebäude sorgen Grünpflanzen für ein angenehmes Ambiente.

Bild: Drees & Sommer

5 Auch im Gebäude sorgen Grünpflanzen für ein angenehmes Ambiente.