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Bauer sucht Stau

Mein Großvater war ein sogenannter „Feierabendbauer“, man kann auch sagen: Nebenerwerbslandwirt. In unserer Scheune stand ein angejahrter, rostiger Lanz-Trecker, der sich neben den heutigen Boliden, mit denen moderne Bauern übers Feld und zur Demo brausen, wie ein Spielzeugtrecker für Kinder aus-
nimmt, mit denen zum Spielplatz gegurkt wird, um dort Sand für die eigene Buddelkiste „zu besorgen“. Ich weiß – die Landwirtschaft ist ein hartes Geschäft. Ich stand als Kind mit auf dem Kartoffelacker und habe die Schweißperlen auf der Stirn der Erwachsenen gesehen, wenn Mehl­säcke und Strohballen zu verfrachten waren. Und mein Opa konnte noch Gras von Hand mit der Sense mähen – ein romantisches Bild, aber im realen Leben echte Knochenarbeit.

Wer so schuftet, soll dafür auch eine anständige Bezahlung bekommen, keine Frage. Und: Wer sich darüber hinaus Gedanken macht, dass es für Tiere und damit auch für die Fleisch- und Milchqualität nicht gut sein kann, Kühe, Schweine und Hühner in enge Ställe zu pferchen und was es für Folgen hat, wenn man Ungeziefer und Unkraut mit Round­up glyphosatifiziert, dem sei es besonders gegönnt, auskömmlich ökologisch zu landwirtschaften. Wenn man schon mit tonnenschwerem Gerät die Krumen verdichtet, Nagetiere plattmacht und das Jungwild mit zermulcht.

Für eine ökologische Vorgehensweise einzustehen, die Regierung an ihre Versprechen zu erinnern, die Bevölkerung auf den wirschaftlichen Missstand aufmerksam machen – das rechtfertigt es durchaus, mit XXL-Traktoren Straßen zu blockieren und sich in ­Berlin vor dem Reichstagsgebäude und anderswo protestierend aufzustellen. Auch das Thema Agrardiesel darf gerne mit aufs ­Tapet. Aber wenn man schon eine Rückerstattung dafür erhält, mit seinen Landmaschinen kaum auf Straßen unterwegs zu sein und deswegen weniger Steuer für die Unterhaltung derselben zahlen muss, sollte man andererseits auch willig sein, für die vom Bauer verursachten Umweltschäden durch Mono­kulturen, Massentierhaltung sowie ­Ammoniak- und Stickoxid­emissionen einzustehen. Oder eben Konzepte vorlegen, diesen von der Landwirtschaft verursachten Missstand wieder ins Lot zu bringen. Der kon­sequente Umbau zur ökologischen Landwirtschaft und der zuletzt ins Spiel gebrachte ­Tierwohl-Obulus könnte ein Weg dahin sein.

Nichts anderes haben die Klimakleber im Sinn: Klima schützen, Umwelt bewahren, Nachhaltigkeit einfordern (wer hat’s erfunden?). Ihr Protest steht insofern dem der Bauern in nichts nach – beide Gruppen provozieren mittels Blockaden einen Stau, um einen Stau aufzulösen. Auf die Spielzeugtrecker! si