Herr Hoevel, viele behaupten, bei der Solarthermie handele es sich um eine überholte Technik, heute drehe sich alles um die Photovoltaik. Was halten Sie als Planungsingenieur und Energieberater von dieser Ansicht?
Mengenmäßig hat PV die Solarthermie längst überholt – das stimmt. Aber ich empfehle meinen Kunden regelmäßig Solarthermie, weil sie in bestimmten Bereichen echte Vorteile bietet.
Zum Beispiel?
Vor allem bei Mehrfamilienhäusern. Hier zeigt sich ein großer Vorteil: Solarthermie produziert warmes Wasser – fertig. Kein Behörden-Wirrwarr, keine komplizierten Steuergeschichten wie bei PV-Anlagen. Die Kosten sind steuerlich absetzbar und berechtigen sogar zu Mieterhöhungen.
Aber Strom ist doch vielseitiger nutzbar als Warmwasser?
Das stimmt, aber nur im Einfamilienhaus funktioniert PV wirklich unkompliziert. Bei Mieterstrom ist trotz aller Reformversprechen wenig passiert. Das bleibt ein überregulierter Nischenmarkt. Ein Beispiel: Als Vermieter muss ich für die Erträge aus der Stromeinspeisung eine Steuererklärung abgeben. Die kostet beim Steuerberater oft mehr als die Einspeisung bringt. Volkswirtschaftlich der pure Irrsinn – das Geld fließt vom Staat zum Steuerberater, statt in die Energiewende.
Für welche Gebäude empfehlen Sie Solarthermie?

Sonnenhaus-Institut
Überall dort, wo noch mit fossilen Brennstoffen oder Biomasse geheizt wird. Ein aktuelles Beispiel: Bei einem Effizienzhaus 55 mit 16 Wohneinheiten senkt Solarthermie die Betriebskosten der Biomasseheizung um 35 Prozent. Eine PV-Anlage hilft hier überhaupt nicht, weil die Heizung nicht strombasiert läuft. Besonders spannend finde ich Fernwärmeanschlüsse. Gerade im ländlichen Süden entstehen viele neue Biomasse-Wärmenetze. Aber Holz zu verbrennen, während im Sommer die Sonne scheint? Das erscheint mir fragwürdig. Mit Solarthermie könnte jeder Fernwärmekunde seinen Verbrauch ohne Steuer-Hickhack senken. Leider erlauben das die Fernwärmeanbieter in manchen Fällen nicht.
In welchen Fällen raten Sie von Solarthermie ab?
Im Neubau und ganz besonders bei neuen oder sanierten Einfamilienhäusern ist die Wärmepumpe alternativlos geworden. Die Technik wird immer ausgefeilter: flexibler Strombezug bei niedrigen Preisen, eigene PV-Anlage, Wärme- und Stromspeicher, Elektromobilität – das passt alles perfekt zusammen. Bei Einfamilienhäusern oder kleineren Mehrfamilienhäusern mit Wärmepumpe würde ich keine Solarthermie mehr einbauen. Der Zusatzaufwand lohnt sich nicht.
Was sollten Eigentümer bei der Entscheidung bedenken?
Das Gesamtkonzept muss stimmen. Wer seine Bestandsheizung optimieren will, trifft mit der Solarthermie eine gute Wahl. Wer aber demnächst auf eine Wärmepumpe umrüsten will, sollte den kompletten Systemwechsel planen. Außerdem sollte eine solarthermische Anlage immer kombiniert mit einem entsprechend dimensionierten Pufferspeicher eingebaut werden. Das hat den Vorteil, dass sie Energie speichern können und damit auch einen Mehrwert für die Flexibilisierung unserer Energielandschaft liefern können. So können unter anderem zusätzlich eingesetzte Heizstäbe überschüssigen Strom im Netz in Wärme verwandeln. Übrigens erwarte ich, dass die feste EEG-Vergütung für PV-Neuanlagen bald wegfällt. Sie ist ehrlich gesagt überflüssig geworden – die Anlagen rechnen sich auch so. Dann sollten wir PV wieder genau auf den Eigenverbrauch auslegen, und eingespeister Strom bekommt nur noch seinen Marktwert.
Wie lautet Ihr Fazit?
Solarthermie ist nicht die Lösung für alles – aber sie kann viel mehr, als viele heute meinen. In Mehrfamilienhäusern und bei Bestandsheizungen bietet sie echte Vorteile: wenig Bürokratie, steuerliche Klarheit und schnelle CO2-Einsparung. Im Zusammenspiel mit dem Pufferspeicher kann sie auch zur Stabilität im Stromsystem beitragen, ohne die Netze zu belasten.
Quelle: Sonnenhaus-Institut / jb

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