In der Tat scheint das Konzept überzeugend und der Gedanke verführerisch, ohne oder nur mit einem geringen Kapitaleinsatz den Heizungskeller und die Gebäudehülle zu optimieren. Kommunen, Unternehmen und Eigentümer größerer Immobilien – sie horchen beim Stichwort Contracting auf. Gäbe es da nicht noch eine andere Seite: Tausende von Mieterinnen und Mietern – insbesondere großer Immobilienkonzerne – beklagen sich, durch Contracting plötzlich ein Vielfaches der bisherigen Heizkosten zahlen zu müssen, obwohl ihre Energiebezüge sinken sollen oder sogar gesunken sind – Sachverhalte, die inzwischen Gerichte beschäftigen.
Was Energieliefer-Contracting bedeutet
Man unterscheidet zwischen Energieliefer-Contracting (ELC) und Energiespar-Contracting (ESC) als den gängigsten Varianten. Finanzierungs-Contracting und Anlagen-Contracting sind weitere Spielarten. ELC und ESC sind am weitesten verbreitet. Beim Energieliefer-Contracting verpflichtet sich ein externer Dienstleister gegenüber dem Kunden, Nutzenergie – beispielsweise Wärme, Kälte, Druckluft oder Licht – zu einem vertraglich festgelegten Preis zu liefern und die dafür nötige Anlage zu errichten, zu betreiben und zu finanzieren. Seine Marge erzielt der Contractor über eine Preisvereinbarung, die automatische Preisanpassungen über die Vertragslaufzeit enthält. Der Kunde, beispielsweise eine Kommune oder ein Unternehmen, vermeidet Investitionskosten und Betriebsrisiken.
Was Energiespar-Contracting bedeutet
Auch beim Energiespar-Contracting schließt der Kunde mit einem Dienstleister einen Vertrag über eine bestimmte, meist mehrjährige Laufzeit ab. Der Contractor verpflichtet sich, energetische Sanierungsmaßnahmen an technischen Anlagen zu planen, zu finanzieren und umzusetzen und eine garantierte Energieeinsparung zu realisieren. Seine Marge erzielt er aus einer fixen Vergütung, die über die Vertragslaufzeit konstant bleibt. Auch bei diesem Modell wird der Kunde von Investitionskosten und technischen Risiken befreit, profitiert jedoch von den gesunkenen Energiekosten.
Dreh- und Angelpunkte sind immer die jeweiligen Verträge. Diese sind nicht unkompliziert und Sache von Fachleuten. Interessant können Einspar-Contracting-Modelle besonders für Kommunen, Unternehmen, Wohnungsbaugenossenschaften oder Wohneigentümergesellschaften sein. Um sich für beide Vertragspartner zu lohnen, sollten Energiekosten in einer gewissen Mindesthöhe anfallen, zumeist im sechsstelligen Bereich. Für das typische Einfamilienhaus gibt es deshalb noch keinen Einspar-Contracting-Markt. Aber dies könnte sich ändern.
Durch Informationen aus der Nische
Trotzdem führt Contracting immer noch ein Nischendasein in der deutschen Energiespar- und Energieversorgungslandschaft. Die Gründe: Die Verträge sind in vielen Fällen ausgesprochen unübersichtlich und nicht einfach vergleichbar. Mögliche Kunden verstehen vieles nicht und reagieren deshalb reserviert, obwohl sie prinzipiell interessiert wären. Man muss berücksichtigen, dass all diese größeren Immobilien individuell betrachtet und bewertet werden müssen. Wenn beispielsweise Kommunen das nötige technische und vertragliche Wissen nicht beisteuern können, schrecken sie vielfach vor Contracting-Modellen zurück. Und so entgehen ihnen Chancen, Energie- und damit auch Geld einzusparen, um ihren eigenen Klimaverpflichtungen nachzukommen.
Fachwissen und Beratung ist vor allem in diesen ersten Phasen das A und O. Unabhängige Energieeffizienzexperten wie beispielsweise Energieberater sollten ins Spiel kommen. Es ist deshalb gut, dass von der Bafa geförderte Orientierungsberatungen angeboten werden, die in einem ersten Schritt die Eignung konkreter Projekte für ein Einspar-Contracting überprüfen. Durch die Hinzunahme unabhängiger Energieeffizienzexperten ließen sich zudem frühzeitig problematische Angebote erkennen. Leider bringen Geschäftsmodelle an der Grenze zum Unseriösen die gesamte Contracting-Branche in Verruf. Dem ließe sich durch ein entsprechendes Controlling entgegenwirken.
Chancen für die Energie- und Wärmewende
Im DEN Kompetenzteam Contracting schätzt man, dass sich jährlich rund zehn Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einsparen ließen, wenn durch Effizienzmaßnahmen und durch die Nutzung erneuerbarer Energien ein Drittel der Gebäudesubstanz in Deutschland per Energiespar-Contracting energetisch saniert würde. Es gelte jetzt, das Thema Contracting in der Öffentlichkeit bekannter zu machen und zu diskutieren. Dass Einspar-Contracting funktioniert, zeigt die beeindruckende Dena-Liste von umgesetzten Projekten. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Kliniken, Schulen, Kindergärten und weitere Nichtwohngebäude prädestiniert sind, auf ihre Eignung zur Energieeinsparung durch Contracting überprüft zu werden. Contracting ist in der Tat ein schlafender Riese. Nur dürfen wir die Gelegenheit, seinen ramponierten Ruf zu retten, nicht verschlafen.
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Müller-Buchzik
Dipl.-Ing. (Univ.) Aiko Müller-Buchzik hat Maschinenbau an der TU Braunschweig studiert, bevor er in einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft arbeitete. Als Energieberater begann er 2008 in den Themenbereichen Energiewirtschaft, technische Beratung und Energie-Managementsystem. Seit 2017 ist er in Braunschweig als selbstständiger Berater für Ressourceneffizienz, Einspar-Contracting, Managementsystemen und Nachhaltigkeit tätig. Er ist außerdem Dozent in der DEN-Akademie, bei WBS-Training sowie an der Bauakademie Ost.
Egbuniwe
Dipl.-Ing. (Univ.) Daniel A. Egbuniwe hat Ingenieurwissenschaften mit Schwerpunkt Brennstofftechnologie an der RWTH Aachen studiert. Es folgten 15 Jahre lang Aufgaben in der Projektierung von Großprojekten sowie der technischen und wirtschaftlichen Optimierung von Betrieben für den größten deutschen Öl- und Gasproduzenten. Seit 2021 arbeitet er in Bremen selbstständig als Energieeffizienzexperte.