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4. Digitales Fachforum „Gebäudehülle im Fokus“

Gesichter einer Krise

Ja, was nun – Chance oder Krise? Eine sibyllinische Frage, die gleich nach der Begrüßung der Teilnehmer – diesmal 680 an der Zahl (neuer Rekord!) – aufploppte. In den Sinn kam sie Moderator Martin Prösler, der nun schon zum vierten Mal und gewohnt souverän durch das Fachforum „Gebäudehülle im Fokus“ führte. Er wollte von seinen beiden Co-Moderator:innen Pia Grund-Ludwig und Daniel Mund wissen, wie die Chefredakteurin des Gebäude-Energieberater (GEB) und der Chefredakteur der GLASWELT diesbezüglich die Stimmung ihrer jeweiligen Leserschaft einschätzten. Die Antworten hätten verschiedener nicht ausfallen können: Während die Leser des GEB einen regelrechten „Run auf die Beratung“ wahrnehmen (das war vor der Haushaltssperre, d. Red.), ist in der Glasbranche „kein positiver Spirit“ zu verzeichnen. So stehen den rund 2.000 neuen Einträgen in der Dena-Effizienzexpertenliste im Jahr 2023 sinkende Fensterabsatzzahlen in Höhe von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr in der Misserfolgsbilanz.

Die Herausforderungen sind indes in beiden Branchen gegeben: Auf der einen Seite das endlich im Bundestag verabschiedete Gebäudeenergiegesetz, auf der anderen Seite der Einbruch der Genehmigungszahlen im Wohnungsbau. Prinzipiell steht den Energieberatern viel Arbeit ins Haus, weil die Verunsicherungen sowohl bei Eigentümern als auch Mietern nach diesem kuriosen Jahr so groß wie schon lange nicht mehr sind. Die Handwerksbetriebe wiederum finden einerseits keine Fachkräfte, andererseits gehen ihnen nun allmählich die Aufträge aus – so unterschiedlich sehen die Gesichter einer Krise aus!

Was sich eins zu eins im Programm des diesjährigen Fachforums widergespiegelt hat, wo neben vielen Infos zur Berater-, Bau- und Planungspraxis auch Marktanalysen sowie die Themen Resilienz, Nachhaltigkeit und natürlich Effizienz bei Produkten rund um die Gebäudehülle im Fokus standen.

Aus Sicht der Bauingenieurin und Gutachterin Barbara Siebert lässt sich die Klimaresilienz einer Gebäudehülle auch durch höhere Qualität am Bau erzielen.

Bild: Gentner Verlag

Aus Sicht der Bauingenieurin und Gutachterin Barbara Siebert lässt sich die Klimaresilienz einer Gebäudehülle auch durch höhere Qualität am Bau erzielen.

Innovationen aus der Bauindustrie: „Bio-Dämmung“

Hirsch Porozell

Den Einstieg ins Fachprogramm übernahm Klaus Köhler, Leiter Anwendungstechnik bei Hirsch Porozell, einem Unternehmen mit 45 Jahren Know-how in der EPS-Industrie. Er weiß sehr wohl, dass EPS-Dämmstoffe dem Vorurteil ausgesetzt sind, nicht nachhaltig und nicht recyclingfähig zu sein. Ein Vorwurf, dem er in seinem Vortrag vehement entgegentrat: „In Bauteilen, in denen nur Dämmstoffplatten eingesetzt werden können, schneidet EPS am vorteilhaftesten ab!“ Untermauert wird diese Aussage von der gemeinsam vom ifeu Institut und natureplus durchgeführten Studie Ganzheitliche Bewertung von verschiedenen Dämmstoff-Alternativen. Demnach erfolgt die Rücknahme der Baustellen-Verschnittreste bereits seit 30 Jahren systematisch und erfolgreich, um daraus Recyclingprodukte wie Putzzuschlagstoffe, lose Schütt-Wärmedämmung für zweischalige Mauerwerke, Rezyklatplatten und andere herzustellen. Und das Projekt PolyStyreneLoop ermöglicht auf Basis des CreaSolv-Verfahrens eine geschlossene Kreislaufwirtschaft von EPS-Abfällen aus Abbruch oder Rückbauten. Nicht zuletzt sieht Köhler großes Potenzial hinsichtlich Nachhaltigkeit bei Biomasse Dämmprodukten aus EPS, für deren Herstellung Hirsch Porozell die fossilen Ressourcen zu 100 Prozent durch erneuerbare Rohstoffe ersetzt. Deren Eigenschaften stehen den klassisch hergestellten EPS-Dämmplatten in nichts nach.

Sto

In ein ähnliches Horn stieß Dirk Hermann, Produktmanager VHF bei Sto in Stühlingen. Auch dieser Dämmstoffhersteller setzt überwiegend auf EPS und hat nun mit der Sto-Dämmplatte Top32 Biomass – wie Hirsch Porozell – ein ökozertifiziertes (G REDcert) Dämmprodukt im Programm, für dessen Herstellungsenergie nach dem Biomassenbilanzverfahren zu 100 Prozent nachwachsende Rohstoffe (Biogas) verwendet werden. Gegenüber klassischen EPS-Dämmplatten sind dafür zwar etwas mehr Euros auf den Tisch zu legen, aber „immer noch weniger als für Holzweichfaserplatten“. Was die Fassadendämmung angeht, wäre das dazu passende Wärmedämmverbundsystem Sto Therm AimS, bei dem 30 Prozent der Bindemittel bei Putzen und Farben auf Kiefernöl basieren. Und last but not least empfahl Dirk Hermann den Befestigungsdübel Sto Fix Circonic, mit dem sich Unebenheiten des Untergrundes bis 70 mm ausgleichen lassen und der jedweden Klebemörtel beim Wärmedämmverbundsystem überflüssig macht – und im Ergebnis einen sortenreinen Rückbau ermöglicht. Es tut sich was, die Verbesserungen sind nachhaltig nachhaltig.

Covestro

Das sieht auch der Bauingenieur Fernando Resende von Covestro so. Der Marketing-Manager, verantwortlich für die Märkte
in Europa und Amerika, referierte über Lösungen zur Reduzierung des gebundenen Kohlenstoffs in Gebäuden, der sich hauptsächlich in Beton, Glas, Mauerwerk und Stahl aufsummiert – und bis zu einem Viertel der 39 Prozent an CO2-Emissionen ausmacht, die der Gebäudesektor in Deutschland als gehöriges Teilstück des ganzen Kuchens zu verantworten hat. Die Polymer-Kompetenz bei Covestro hat sich demzufolge darauf ausgerichtet, seine Zulieferprodukte auf die Herstellung klimafreundlicher PIR/PUR-Wärmedämmung abzustimmen. So weist das Isocyanat Desmodur CQ MS massenbilanziert einen 60-prozentigen Anteil von bio-zirkulärem Rohstoff aus. Man sieht: Nicht nur bei den Dämmstoffherstellern, sondern auch bei den bauchemischen Zulieferern ist die CO2-Bilanzierung ein Kernthema in der Forschung und Entwicklung.

Puren

Maximilian Ernst, Leiter der Anwendungstechnik bei Puren, begrüßt diesen Wandel und verwies in seinem Vortrag darauf, dass auch in der Verwendung möglichst effizienter Dämmprodukte wie Polyurethan mit Lambda-Werten um 0,30 ein gehöriges CO2-Einsparpotenzial vorliege. Außerdem ließen sich damit Dämmschichtdicken deutlich reduzieren, was dem Ruf nach verdichtetem Bauen bei nochmals reduziertem Flächenverbrauch für die Konstruktion gerecht wird. Und der Joker bei Puren in puncto Wiederverwertung heißt Upcycling: Verschnittreste bei Herstellung und Verarbeitung werden eingesammelt und zu Purenit-Funktionswerkstoffen mit vielseitigen Eigenschaften verarbeitet, die unter anderem überall dort gefragt sind, wo Holz an seine Grenzen stößt.

Klimaresilienz im Gebäudesektor

Was aber bedeuten solche Fortschritte in den Entwicklungsabteilungen der Hersteller für die gebaute oder zu bauende Praxis? Was müssen Planer und Ausführende auf dem Schirm haben, wenn sie mit solchen kreislauffähigen Produkten an die Fassade gehen, respektive was ist für den Rückbau zu beachten?

Barbara Siebert, Bauingenieurin und Bausachverständige mit eigenem Büro in München, ging in ihrem Vortrag auf die Klimaresilienz im Gebäudesektor ein und fasste zusammen, was die Gebäudehülle insgesamt dazu beitragen kann, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor zu reduzieren. Ihr Credo: Die Nutzungsdauer von Bauteilen muss viel länger gegeben sein als dies heute der Fall ist, und Fassaden müssen als Ganzes resilienter und damit nachhaltiger werden. Dazu gehört neben der möglichst einfachen Austauschbarkeit einzelner Komponenten beziehungsweise Fassadenelementen das Überdenken von Gebäudehüllen generell. Sie spielte damit auf Trends in der Architektur an, die heutigen Anforderungen diametral entgegenstehen – und kritisierte die in jede Himmelsrichtung den Sonnenstrahlen ausgesetzten Glaspaläste, Betonkisten ohne Dachüberstände, fehlende oder nur auf Optik ausgelegte Verschattungen und die damit verbundene Abhängigkeit von gebäudetechnischen Installationen, sprich Klimaanlagen.

Die Ingenieurin setzt beherzt auf die Massivbauweise, die zwar teurer als ein Leichtbau und mit mehr grauer Energie befrachtet ist, aber im Endeffekt die Schadenskosten reduziert. Wenn man weiß, mit wie vielen Mängeln und Pfusch eine Schadensgutachterin täglich konfrontiert ist, eine nachvollziehbare Logik. Aber ob das zuvorderst an der Bauweise liegt?

Schreinermeister Marc Schütt thematisierte die Problematik des Gewerkelochs bei der Fenstermontage – unterlegt mit vielen Schadensbildern.

Bild: Gentner Verlag

Schreinermeister Marc Schütt thematisierte die Problematik des Gewerkelochs bei der Fenstermontage – unterlegt mit vielen Schadensbildern.

Innovationen aus der Bauindustrie: Rund ums Fenster

Soudal

Den Auftakt der zweiten Session mit Fachvorträgen von Herstellern machte Jörn Voges, Business Develop Manager im Bereich Fenster bei dem Kleb- und Dichtstoffhersteller Soudal. Sein Thema war das Abdichten von Fenstern mit Multifunktionsbändern, flexiblen Schäumen sowie streich- und spritzbaren Flüssigmembranen. So ergibt sich beim Abdichten der Fensteranschlussfugen mit der Hybridpolymerpaste Soudatight Hybrid für die Wetterschutzebene, dem PU-Pistolenschaum Flexifoam X-tra für die Funktionsebene und der elastischen Membrane Soudatight SP für die Raumebene ein passgenau aufeinander angestimmtes Trio. Und für das umwelt- und kreislaufgerechte Entsorgen der PU-Schaumdosen ist mit dem PDR-Rücknahmesystem eine stoffliche Verwertungsquote von rund 80 Prozent garantiert.

Aluplast

Dominik Mathes und Karsten Ackermann von dem badischen Fensterprofilhersteller Aluplast wagten auf Basis der B+L Marktdaten einen Ausblick auf die zu erwartenden Veränderungen im Fenstermarkt bis 2025. Waren im Jahr 2023 die Absatzzahlen insgesamt rückläufig und die Preise zuletzt auf hohem Niveau stagnierend mit leicht sinkender Tendenz, zeigt sich das Unternehmen für 2024 beim Fenstermarkt optimistisch, nicht zuletzt, weil der Druck auf die Regierung steigt, verlässliche Rahmenbedingungen für die Branche und die Verbraucher zu schaffen. Mit dem bereits 2020 entwickelten Fensterprofilsystem Energeto neo sieht sich Aluplast jedenfalls gut aufgestellt, da es Endkunden hinsichtlich Farben und Oberflächen eine große Auswahl bietet.

Somfy

Bei allen wichtigen Fragen rund ums Fenster im Zusammenhang mit Klimafolgen darf der Sonnenschutz nicht fehlen. Dieser will gut geplant und ganz im Sinne der Effizienz und Resilienz idealerweise dynamisch geregelt sein. Das bedeutet: Automatisierung, um Hitzeschutz, Tageslichteinfall, solare Gewinne und die Sichtverbindung nach draußen optimal im Laufe des Tages nutzergerecht aufeinander abzustimmen, denn „der Winter mag solare Gewinne, der Sommer erfordert Hitzeschutz“, wie es Dirk Mommaerts, Leiter Objektberatung bei Somfy Central
Europe, formulierte. In seinem kleinen Ausflug in die Welt der Gesetze und Normen machte er deutlich, wie wichtig es für Planer ist, die energetische Bewertung beim sommerlichen Wärmeschutz im Auge zu behalten – Stichwort Klimadaten und reale Übertemperaturgradstunden. Um auf der sicheren Seite zu agieren, empfahl er die dynamische Simulation mit ESBO, einem kostenlosen Tool, das recht einfach eine dynamische Simulation einzelner Räume im Minutentakt ermöglicht.

Fenstermontage: Auf die Planung kommt es an!

Wahrlich erhellend war der Vortrag von Marc Schütt zum Thema Gewerkeloch. Der engagierte Fensterbauer und Schreinermeister, zugleich öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Tischlerhandwerk, bot den Teilnehmern mit seinen Fotos von Lücken bis Löchern rund ums Fenster einen ernüchternden Eindruck dessen, was bei der Montage nicht alles schief gehen kann. Beim Zuhören und Betrachten der Fotos war man jedenfalls geneigt, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, was da vielfach gut gemeint, aber eben nicht gut gemacht war. Die Schadens-Bildergalerie zeigte sehr eindrücklich, welche Konsequenzen es hat, wenn Details nicht geplant werden und bei der Ausführung geschludert wird.

Serielle Sanierung: Praxiserfahrungen mit Energiesprong

Ein Ausweg aus dieser Misere könnte die serielle Sanierung mit standardisierter Planung und Vorfertigung im Werk sein. Uwe Bigalke, Teamleiter Analysen & Gebäudekonzepte bei der Deutschen Energie-Agentur und Projektleiter von energie-
sprong.de
, sieht darin aber auch die Lösung für mehr Tempo beim Sanieren durch doppelte Produktivität. Wie sich Projekte mit standardisierten Sanierungsbauteilen und ebensolchen Prozessen von der Planung bis zur Montage umsetzen lassen, zeigte Bigalke anhand in Deutschland realisierter Mehrfamilienhäuser und Nichtwohngebäude – viele Projekte sind bereits in der Umsetzungsphase, mehr als hundert in der Pipeline. Das Konzept lässt sich bis auf Einfamilienhäuser herunterskalieren, was eine Chance bedeutet, die Sanierungsquote in Deutschland endlich und deutlich über ein Prozent zu wuppen. Nicht zuletzt auch, weil sich zeigt, dass die serielle Sanierung am Ende der Pilotphase auch deutliche Kostensenkungen mit sich bringt. Wovon schließlich auch Mieter profitieren. Das Bafa hat zudem ein Förderprogramm mit drei Modulen aufgesetzt, um interessierten Akteuren und Unternehmen bei der Entwicklung und Herstellung von Prototypen und dem Aufbau von Produktionskapazitäten finanziell unter die Arme zu greifen.

Die Baukrise – oder: Wie man dem Löwen entkommt

Den Aufschlag für den zweiten Tag des Forums übernahm Keynote-Speaker Constantin Greiner, Leiter des Geschäftsbereichs Bau bei der Munich Strategy, dessen verheißungsvoller Vortragstitel „So kommen Sie durch die Baukrise“ bei den Teilnehmern hohe Erwartungen weckte – und sie wurden nicht enttäuscht. Seiner Einschätzung nach ist die Krise am Bau noch nicht überall wirklich angekommen, weil viele Unternehmen damit beschäftigt sind, aufgestaute Aufträge abzuarbeiten.

In Anlehnung an Altkanzler Helmut Schmidts legendäres Zitat „Auf jede große Hoffnung folgt eine große Enttäuschung“ prognostizierte der Experte beim Fensterabsatz im Mittel ein Minus von 3,1 Prozent für die kommenden drei Jahre. Da die Krise aber nicht im Platzen einer Blase wegen eines überzeichneten Bedarfs ihren Ursprung hat, sondern mit der Energiewende und der Wohnungsnot sowohl Herausforderungen als auch große Aufgaben – also viel Bedarf – zu erwarten sind, steht der Branche eine intensive Bautätigkeit zwingend bevor.

Indes hat sich der Markt von einem Verteiler- zu einem Leistungsmarkt geändert. Will heißen: Wer nicht zu den 100 größten Verlierern gehören will, muss künftig nicht nur rationalisiert herstellen und schnell lieferfähig sein, sondern seine Kunden auch individuell und intensiv betreuen können.

Das Heil in der seriellen Sanierung zu suchen, sieht der Experte als kritisch, da sich maximal 20 Prozent der Bauaufgaben damit lösen lassen. Der Ein- bis Zweifamilienhausbereich – mithin der größte Anteil im Wohnungsbaubestand – bleibt Domäne des Mittelstands im Handwerk. Jedoch dürfte der konventionelle Wohnungsbau durch Vorfertigung und Serienlösungen um etwa ein Fünftel abschmelzen. Des Hellsehers abschließender Rat lautete daher: „Du musst im Überlebenskampf nicht schneller sein als der Löwe, der einen verfolgt, sondern schneller als der Fliehende neben dir!“

Innovationen aus der Bauindustrie: Verschattung

KDM Innovation

Zur Überlebensstrategie gehört indes nicht nur Schnelligkeit, sondern auch Erfindungsreichtum. Sich auf einen Baum zu retten, anstatt sich die Lunge aus dem Leib zu rennen, kann ja auch eine Lösung sein. Was das übertragen auf ein Bauprodukt heißt, erläuterte Gerhard Kleinsasser mit dem Morgenfenster 
von KDM Innovation. Dasselbe liegt vollkommen bündig in der Außenfassade und öffnet sich dank dem Movista-Beschlag mechatronisch und wird zum Öffnen einfach per Hand zur Seite geschoben – Sonnen- und Insektenschutz inklusive. Der Marktstart für das Fenster ist für 2025 geplant – sofern der Löwe oder besser der Mitfliehende nicht schneller ist ...

Colt International

Zum Thema Sonnenschutz hatten Christoph Kepser und Markus Ticheloven von Colt International mit PV-Core, PV-Scale und Shadovoltaik gleich drei pfeilgenau auf den Markt treffende Lösungen im Innovationsköcher, die Verschattung und regenerative Energiegewinnung in einem Produkt ermöglichen. Die Vorteile eines beweglichen Sonnenschutzes gegenüber starren Anlagen sind bekannt – diesen nun mit nachführbarer PV zu belegen und somit die an der Fassade verfügbare Fläche für gebäudeintegrierte Photovoltaik zu erweitern, ist ein weiterer kleiner Schritt hin zur Energieautonomie eines Gebäudes.

Eyrise

Eine ganz andere Strategie verfolgt man diesbezüglich bei dem niederländischen Unternehmen Eyrise. Dessen Marketingleiter Filip Roscam präsentierte mit dem schaltbaren dynamischen
Glassystem s350 eine Technologie, die auf Flüssigkristalltechnologie beruht und einen Raum sanft und nahtlos binnen einer Sekunde von hell auf dunkel und umgekehrt schaltet. Zwar sind solche schaltbaren Gläser mit Kosten ab 500 Euro pro Quadratmeter deutlich teurer als zum Beispiel Raff-Lamellen, aber da über die Lebensdauer kaum Wartung anfällt und zudem Windlasten hier quasi kein Thema sind, mag sich die Investition gesamt-
bilanziell betrachtet durchaus rechnen.

Zuhören, motivieren, coachen: Alltag in Energieagenturen

Diese Nachberichterstattung des digitalen Gebäudehüllenforums zeigt: Die Möglichkeiten, ein Gebäude möglichst effizient und nachhaltig zu gestalten, sei es beim Neubau oder in der Sanierung, sind mannigfaltig und für Laien oft überfordernd. Leila Morgenroth, Geschäftsführerin der Energieagentur Region Göttingen, weiß davon ein Lied zu singen. Die rapiden globalen Veränderungen, anstehende Gesetzesänderungen und komplexe Förderkonditionen verunsichern Menschen bei anstehenden Entscheidungen, wenn eine Immobilie gekauft, gebaut oder saniert werden soll. Ihr Vortrag gab einen guten Einblick in die tägliche Arbeit und Herausforderungen als erste Ansprechpartnerin in einer Energieagentur. Ihre Erkenntnis: Es braucht historisch besehen etwa fünf Prozent der Allgemeinheit, die voranschreiten, damit 15 bis 20 Prozent mitgehen, um letztlich einen Prozess der gesellschaftlichen Änderung zu vollziehen. Um diesen Weg erfolgreich zu beschreiten, braucht es vor allem Positivbeispiele, um die „Bremse“ zu lösen.

Uwe Bigalke von der Deutschen Energie-Agentur sieht die serielle Sanierung in Deutschland auf dem Vormarsch. Das Energiesprong-Konzept sei sehr gut geeignet, die Sanierungsquote hierzulande endlich über ein Prozent anzuheben.

Bild: Gentner Verlag

Uwe Bigalke von der Deutschen Energie-Agentur sieht die serielle Sanierung in Deutschland auf dem Vormarsch. Das Energiesprong-Konzept sei sehr gut geeignet, die Sanierungsquote hierzulande endlich über ein Prozent anzuheben.

Innovationen aus der Bauindustrie: Das Beste zum Schluss

Austrotherm

Den Auftakt zur letzten Vortragsrunde mit Herstellern eröffnete Dirk Baune, Anwendungstechniker bei dem Dämmstoffunternehmen Austrotherm – bekannt für seine rosafarbenen XPS-Dämmplatten, beispielsweise der XPS Premium P, erhältlich in Dicken von 80 bis 400 (!) Millimeter. Sein Thema war die Sockeldämmung, oder wie er meinte: die „Achillesferse des Hauses“, für die in der Praxis oft falsche Dämmplatten gewählt werden. In der Tat ein kritischer Detailpunkt, weil hier gleich mehrere Anforderungen zusammentreffen: Fernhalten von Feuchte aus dem Erdreich, Aushalten mechanischer und chemischer Belastungen und so ganz nebenbei noch das Dämmen der Gebäudehülle. Ach, und die Optik respektive die Kunst, einen so schönen wie auch regelkonformen Übergang vom Wärmedämmverbundsystem zum abzudichtenden Sockel zu schaffen, gehört auch dazu.

Gutex

Jürgen Ebi, Anwendungstechniker bei Gutex, übernahm den Referenten-Stab, um auf die Vorteile und Möglichkeiten der ökologischen Holzfaserdämmstoffe zu verweisen. Öko nicht nur wegen des Rohstoffs Holz, sondern auch aufgrund der Wiederverwendung von sortenreinen Verschnittresten und des seit Januar 2023 eingeführten Systemzyklus‘ bei den Paletten, auf denen die Dämmplatten angeliefert werden. Immerhin stecken netto 17,5 Kilogramm CO2 in einer Retourpalette! Des Weiteren haben die findigen Schwarzwälder derzeit die energie-
intensive Nassverfahren-Produktion ausgesetzt – ob man diese jemals wieder aufnimmt? Dagegen spricht, dass Gutex an seinem
neuesten und klimaneutralen Produktionsstandort im südbadischen Breisach ausschließlich auf das umweltfreundliche Trockenverfahren setzt. Tja, so macht man die Konkurrenz nass!

Reisser

Kennen Sie eigentlich RDS? Nein, gemeint ist damit nicht das Radiodatensystem, sondern die Reisser-Distanzschraube RDS, deren Vorzüge Christian Poscher, Key-Account Manager VHF von Reisser-Schraubentechnik, in seinem Vortrag erläutert hat. Die Schraube minimiert nicht nur die Wärmebrücken bei VHF-Fassaden, weil sie die klassischen Befestigungskonsolen wegzaubert, sondern sie vereinfacht auch spürbar die Montage, weil die Dämmung nicht mehr umständlich für die Konsolenmontage ausgeschnitten werden muss. Zudem ermöglicht sie durch die variable Einschraubtiefe einen Toleranzausgleich von bis zu 25 Millimeter am Mauerwerk oder Beton.

Naturbo

Ausdauer wird bei den Teilnehmern des Fachforums immer belohnt – so auch in diesem Jahr, als Andreas Tanner, Teilhaber und Marketingleiter des Allgäuer Unternehmens Naturbo, ein letztes Bonbon aus der Vortragstüte holte und den Tag mit einem ökologischen i-Tüpfelchen finalisierte. Seine Präsentation über das modulare Trockenbausystem auf Basis des Naturbaustoffs Lehm mit Holzweichfaser-Trägerplatten zeigte auf, was dabei herauskommt, wenn Öko und Technik zu einem Produkt verschmelzen: ein hygienisch-komfortables Raumklima mit angenehmer Strahlungsheizung – dank integrierter Rohrschlangen, mit denen sich ein Raum auch im Sommer auf angenehme Temperaturen herunterkühlen lässt. Lehm unterbindet die Kondensatgefahr. Der Clou: Mit rund 85 Euro pro Quadratmeter fährt man im Fall einer Sanierung weitaus günstiger als mit einer Fußbodenheizung. Ganz zu schweigen von der fixen Bauzeit – Lehm made by Naturbo ist eben nicht lahm!

Alle Fachvorträge des 4. Digitalen Fachforums „Gebäudehülle im Fokus“demnächst auch in unserem Youtube-Kanal unter https://t1p.de/gebaeudechannel.