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Das Baupreisparadoxon: Zwei Pfennige für einen

Der Eiffelturm galt Ende des 19. Jahrhunderts als Symbol für das rationelle ingenieurtechnische Bauen. Trotz Vorplanung und kurzer Bauzeit wurde er teurer als geplant, doch spielt er bis heute die Kosten um ein Mehrfaches ein. Mehr noch – er ist ein nationales Symbol, dessen Bedeutung sich mit Geld nicht aufrechnen lässt.

Ungeachtet dessen stehen die Baukosten immer wieder und permanent in der Diskussion und beeinflussen das Baugeschehen. Beim Bauen musste man im Mittelalter „zwei Pfennige für einen rechnen“. Bereits vor 2000 Jahren schlug Vitruv hohe Strafen für Architekten bei Baukostenüberschreitung vor und bezog sich dabei auf ein Gesetz der „Vorfahren in alter Zeit“.

Am Ende der Weimarer Republik erzwangen die Bauzinsen immer kleinere Wohnungen im geförderten Mietwohnungsbau, trotz kostensparender Bauweisen. Im Jahr 1970 fragte das GEWOS-Institut „Sind die bisherigen Baupreissteigerungen unser Schicksal?“ Die Antwort heißt: ja. Der Aufwand und damit Baupreise und Baukosten stiegen nicht erst seit 1949, sondern seit Anbeginn des Bauens stetig an (Abb. 1).

1 Die Grafik zeigt den Anstieg der Baupreise von 1949 bis 2020. Die Kurve kennt nur eine Richtung: nach oben.

Bild: Energieinstitut Hessen; Quelle: destatis; Lange Reihen

1 Die Grafik zeigt den Anstieg der Baupreise von 1949 bis 2020. Die Kurve kennt nur eine Richtung: nach oben.
2 Fertiggestellte Wohnungen von 1949 bis 1957 – dazu im Vergleich die Zahlen von 1929

Bild: aus [17]

2 Fertiggestellte Wohnungen von 1949 bis 1957 – dazu im Vergleich die Zahlen von 1929
3 Bereits in den 1960er Jahren war klar: Die Ursachen für die Baukostensteigerungen liegen auch in der zunehmenden qualitativen Ausstattung der Wohnungen.

Bild: Statistisches Bundesamt aus [18]

3 Bereits in den 1960er Jahren war klar: Die Ursachen für die Baukostensteigerungen liegen auch in der zunehmenden qualitativen Ausstattung der Wohnungen.

Das Paradoxon

Genauso stetig wie Baupreise und Baukosten stiegen Bauleistung und Gebäudequalität. Zwar ermöglichten stagnierende Baupreise ein größeres Bauvolumen, aber sie gehen stets mit stagnierender Baunachfrage einher, da sie nur in Phasen geringer Wirtschaftstätigkeit auftreten, wenn zugleich auch die Einkommen stagnieren oder gar rückläufig sind. In solchen Phasen blicken die Menschen unsicher in die Zukunft und es fehlt an Spielräumen für Mieterhöhungen.

Im neuzeitlichen Massenwohnungsbau der 1920er Jahre änderten Baupreissteigerungen um sechs Prozent pro Jahr nichts an einer Jahresbauleistung von 300 000 Wohnungen, die den Grundstein für die Lösung der Wohnungsfrage legte. Auch der Wiederaufbau nach 1945 scheiterte nicht an jährlichen Bau-
preissteigerungen um fünf Prozent, über 15 Jahre entstand ein bis dahin nicht gekanntes Bauvolumen von bis zu 500 000 Wohnungen pro Jahr (Abb. 2). Der 2008 einsetzende Bauboom mit bis zu 400 000 Wohnungen pro Jahr wurde von Baupreissteigerungen um vier Prozent begleitet.

Dabei sind die Baupreise nicht einmal die ganze Wahrheit, denn deren Zeitreihen werden vom Statistischen Bundesamt mit dem fixen technischen Warenkorb eines Basisjahrs indiziert. Erst die veranschlagten Baukosten (DIN 276) enthalten auch die wachsende Bauqualität. Folglich betrug der Baukostenanstieg in den ersten Jahren des Wiederaufbaus jährlich über zehn Prozent.

Diese Kostenentwicklung rief fortan alle 20 Jahre Baukostensenkungskommissionen auf den Plan und nährte Theorien vom Markt als Heilsbringer. Die Baukosten stiegen dennoch weiter. Das Rätsel wurde bereits 1959 durch das Statistische Bundesamt gelöst . Nach seiner Analyse entfielen mit 57 bis 76 Prozent der größte Anteil des damaligen Baukostenanstiegs auf die Qualitätssteigerungen der Bauten (Abb. 3). Die Steigungskurven der Pro-Kopf-Wohnfläche und der Baukosten verliefen sehr ähnlich. Mit der Favorisierung des „Eigenheimes“ setzte die Baupolitik zudem auf ein Modell, dessen gebaute Quadratmeter bis zu 65 Prozent teurer waren als im Mehrfamilienhaus.

Der Kern des Problems

Das 19. Jahrhundert setzte mit seinem gewaltigen Bevölkerungsanstieg die quantitative Lösung des Wohnungsproblems auf die Tagesordnung. Eine Aufgabe, an der der „freie Wohnungsbau“ trotz höchster Baudichten in Mietskasernen scheiterte. Erst seine Ergänzung um den staatlich geförderten Wohnungsbau auf Basis von gemeinnützigen Baugesellschaften schuf in der Weimarer Zeit einen ersten Grundstein zur Lösung der Wohnungsfrage und für bessere Wohnhygiene. Es wurden mehr und größere Wohnungen in durchgrünten Zeilen – statt dichtem Blockbau gefördert, und das neue Wohnungsbad mit WC schuf Platz im Treppenhaus. Dieser Mehraufwand war auch in den Krisen der Weimarer Zeit finanzierbar, und die damaligen Stadtquartiere sind noch heute beliebt.

Nach 1949 stiegen die Qualitäten des staatlich geförderten sozialen Wohnungsbaus weiter an: Zentralheizung, Majolika geflieste Badezimmer mit WC, Elektroinstallation, Aufzüge, Südbalkon, Gemeinschaftsantennen, erst Hoch- dann Tiefgaragen (Abb. 3). Die eher dem kaiserzeitlichen Status quo verhafteten Vertreter der freien Wohnungswirtschaft standen den qualitativ erheblich verbesserten Standards für einkommensschwächere Menschen ablehnend gegenüber. Dennoch wurden nun durch ein Geflecht aus Förderung und staatlichen Vorschriften Qualitäten baubar, die man in der heutigen Diskussion abwehrend als Baukostentreiber bezeichnen würde,die aber das Bundeswohnungsbauministerium 1951 ganz anders bewertet hat: „Man bezeichnet die derzeitigen Baukosten gemeinhin als untragbar hoch. Auch hier gilt es, einen Fehlschluß zu berichtigen. Es wird allgemein unbeachtet gelassen, daß mit der modernen Wohnung ein ganz anderer Wohnwert als früher zur Verfügung steht.“

Der steigende Kostenaufwand prägte die politische Diskussion sowohl über den Massenwohnungsbau Weimars als auch im Wiederaufbau nach 1945 und wurde als Argument gegen den sozialen Wohnungsbau genutzt, als wäre er allein von der Teuerung betroffen. Die Diskussion lenkte immer wieder vom Kern des Problems ab. Der gewaltige Anstieg der Bevölkerungszahl in der Industrialisierung erhob den Massenwohnungsbau zur sozialen Aufgabe und machte aus der „Bekämpfung der Wohnungsnot eine Staatsaufgabe“ von ungewohnter Größe].

4 Baupreisindex und veranschlagte Gebäudekosten nach DIN 276 je Wohnung und Kubikmeter umbauten Raum von 1950 bis 1959

Bild: aus [19]

4 Baupreisindex und veranschlagte Gebäudekosten nach DIN 276 je Wohnung und Kubikmeter umbauten Raum von 1950 bis 1959
5 In ökonomischen Krisenzeiten boomen die wohlmeinenden Vorschläge für Billigbauten. Die durchschlagenden Lösungen brachten sie nie und verebbten stets nach Beendigung des wirtschaftlichen Niedergangs.

Bild: Bauwelt 03/1932

5 In ökonomischen Krisenzeiten boomen die wohlmeinenden Vorschläge für Billigbauten. Die durchschlagenden Lösungen brachten sie nie und verebbten stets nach Beendigung des wirtschaftlichen Niedergangs.

Und die Rolle des Staates?

Der Wohnungsbau hängt zuallererst von der ökonomischen Entwicklung der Gesellschaften ab. Unsere heutigen Siedlungsstrukturen mit ihren Städteballungen sind das Produkt des Übergangs von der Holz- zur Kohlenutzung in der Stahlverhüttung, die die Eisenproduktion vom Land in die dadurch entstehenden städtischen Ballungsräume verlagerte, die Bevölkerung konzentrierte und durch verbesserte Lebensbedingungen zu ihrem Wachstum beitrug. Wohnbauten gehören zur Infrastruktur der Wirtschaft und folgen ihrer Entwicklung bis in das Detail der Bauzinsen.

Das muss man bedenken, um zu verstehen, dass es die gesamtwirtschaftliche Situation ist, die über Art und Umfang des Wohnungsbaus entscheidet. Denn vom Wohlstand hängen die Einkommensverteilung und damit auch der jeweilige Kreditbedarf ab. Hinzu kommt die Frage, mit welchem Verantwortungsbewusstsein der Staat das Grundbedürfnis Wohnen angeht. So stand nach 1949 den steigenden Baukosten (Abb. 4) auch ein kräftiger Anstieg der Löhne, Gehälter und Renten von zeitweise über zehn Prozent pro Jahr gegenüber. In der Weimarer Republik wurden wegen der geringen Einkommen die „unrentierlichen Kosten“ des Bauens durch billige staatliche Baukredite subventioniert, die aus der damaligen Hauszinssteuer stammten. Im Wiederaufbau nach 1945 schlug der Wohnungsbau mit vier Prozent des Staatsetats der BRD zu Buche.

Der Zins entscheidet

Stets ist der Bauzins neben der Einkommensentwicklung der wesentliche Faktor für das Bauvolumen, beeinflussbar durch staatlichen Zuschuss oder Kredit. Die Zinsentwicklung selbst folgt den Konjunkturzyklen, dem Kapitalbedarf der Industrie und Erschütterungen wie Kriegen, Börsencrashs und Spekulationskrisen, wie gerade an der Billigzinsphase für Baukredite ersichtlich, die als Nebenprodukt der auf die Spekulationskrise 2008 reagierenden europäischen Geldpolitik entstand.

Gegenüber diesen großen Einflusslinien zeigte bereits der preußische Sozialminister auf, dass auch ein geringerer Baukostenindex von 150 statt 175 Prozent den Effekt von auf drei Prozent gestiegener Zinsen in den nachrangigen Hypotheken nicht auffangen kann. Er wies darauf hin, „…daß von der Kapital- und Zinsseite her eine stärkere Einwirkung auf die Miethöhe ausgeht, als von einer durch technische Fortschritte ermöglichten Senkung des Baukostenindexes.

“Steigende Zinsen machten die Baukostenersparnis wieder zunichte, beklagte 1930 folgerichtig auch der Architekt des „Neuen Bauens“ Bruno Taut: „Gerade Martin Wagner, mit ihm die ’Gehag’, beschritt planvoll den Weg der kommenden weiteren Verbilligung. Was aber bergauf ging, war vor allem der Zins, so daß nach drei Jahren dieselbe Wohnung schon um die Hälfte mehr an Miete kostete. Mit den Zinsen wurde auch das Baugeld teurer, mit ihm wuchsen die Baukosten und so entstand die heutige Lage. Nun sollen die Techniker und Baufachleute dort retten, wo die Finanzkreise das Unheil angerichtet haben.“ Damals waren es vor allem die Reparationslasten des 1. Weltkrieges, die die weltweite Zinsentwicklung bedingten und wie immer in Krisen auch obskure Lösungsversuche hervorbrachten (Abb. 5).

Der Wohnungswirtschaftliche Beirat der Bundesregierung schrieb 1953 gegen eine drohende Diskontsatzerhöhung: „Ein höherer Kapitalzins würde die Wohnungswirtschaft einschneidend und nachhaltig ungünstig beeinflussen. Eine Erhöhung des Hypothekenzinses um je 1 v. H. würde die auf dem Objekt ruhenden Dauerlasten im Neubau bei der heute üblichen Finanzierungsweise um rd. 10 v. H. erhöhen. Im steuer-
begünstigten und im frei finanzierten Wohnungsbau würde dies zu einer entsprechenden Mieterhöhung zwingen (Beispiel: 2-prozentige Zinserhöhung = mindestens 20-prozentige Mieterhöhung).“ Dabei schöpfte der Beirat unter anderem aus dem gemeinsamen Erlass der Preußischen Minister für Handel und Gewerbe sowie des Innern vom 19.3.1901, dessen umfangreiche Vorschläge für die Wohnbauförderung noch heute nicht verwirklicht sind. Baukostenzuschüsse, billiges Hypothekengeld und billiger Erbbaugrund durch den Staat gehören dazu.

Auf das Wesentliche konzentrieren

Die Baukostendebatten lenken von der Lösung der Wohnungsfrage ab, indem sich Fachwelt und Medien immer wieder emotional an „Kostentreibern“ abarbeiten. Schon 1934 führte die Bauwelt-Redaktion in ihrem Magazin Diskussionen unter der Überschrift „Verteuert die Baupolizei das Bauen?“ Es waren die Auswüchse der „Baufreiheit“ im 19. Jahrhundert, die zu staatlichen Regelungen zwangen – die heute beklagte Normenanzahl ermöglicht vor allem Rechtssicherheit und ökonomisches Bauen.

Zudem hat sich die Lösung der Wohnungsfrage seit 1919 um qualitative Merkmale erweitert. Was mit Bad, WC und Zentralheizung begann, bedarf längst der Verkleinerung des zu großen CO2-Fußabdrucks unserer Gebäude, der vor allem auf die Vernachlässigung des Wärmeschutzes zurückgeht. Gebäude mit gut gedämmter Gebäudehülle, deren geringer Nutzenergiebedarf den Einsatz regenerativer Energien ermöglicht, sind noch keine Selbstläufer. Wieder ist staatliche Lenkung erforderlich, um die seit den Zwanzigerjahren schrittweise Verbesserung des Wohnhygienestandards abzuschließen und damit auch das Problem der Treibhausgase bei der Gebäudeheizung zu lösen.

Möglicherweise bedarf das der Orientierung an Friedrich dem Großen, der fünf bis zehn Prozent des preußischen Staats­etats für Wohnbauförderung und Landerschließung ausgab. Heute sind es um zwei Prozent. Otto Kämper beschrieb schon 1938 nach der Analyse aller Kapitalbeschaffungswege: „Für die Gegenwart wird man (...) zu dem Ergebnis gelangen, daß in der überwiegenden Mehrzahl der europäischen und außereuropäischen Länder die Kräfte der Privatwirtschaft nicht ausreichend sind, um den Wohnungsbedarf der breiten Massen sicherzustellen, und daß aus diesem Grunde die lenkende und fördernde Tätigkeit der öffentlichen Hand gerade auf finanziellem Gebiete nicht entbehrt werden kann…“.

Mehr Einkommen, mehr eigener Wohnraum

Das Baupreisparadoxon wurde stets volkswirtschaftlich gelöst, durch steuerliche Umverteilung in Wohnbaufördermittel und seit 1945 auch durch eine Steigerung der Masseneinkommen. An letztere knüpfte Professor Oswald von Nell-Breuning an: Die Alternative zu dem komplizierten System der Wohnbauförderung sei, den Einzelnen durch Einkommenssteigerung selbst zum individuellen oder kollektiven Bauherren innerhalb der Wohnungswirtschaft zu machen. Für beide Wege müssten gleichgroße Mittel aus dem laufenden Sozialprodukt aufgebracht werden: „Unser Wohlstand reicht völlig aus, um uns, d. h. alle Familien unseres Volkes, mit ausreichend geräumigen und zeitgerecht ausgestatteten Wohnungen zu versorgen.“ Das war 1963. Um wie viel mehr gilt das bei der heutigen Wirtschaftsleistung?

6 Baukostenrisiken im Überblick

Bild: Schulze Darup, aus [20]

6 Baukostenrisiken im Überblick

Auf die Baukosten folgt auch ein Nutzen

Die aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts stammende soziale Aufgabe des Wohnungsbaus wird in unserem Jahrhundert um die Energiewende ergänzt, die zu ihrer Lösung nicht nur Effizienz in allen Verbrauchssektoren erfordert, sondern nichts weniger als die Neuordnung der Siedlungsstrukturen in einem Integral von Wärme-, Verkehrs- und Wirtschaftswende. Das treibt schon heute die Kosten. Es wäre klug, ihren Nutzen in den Vordergrund zu stellen, bevor die quälende Kostenfrage wieder Oberhand gewinnt und wie beim sozialen Wohnungsbau zersetzend wirkt.

7 Die Entwicklung der Baukosten im Spiegel der staatlichen Vorgaben für den Wärmeschutz

Bild: Bild: Energieinstitut Hessen; Quelle: destatis; Lange Reihen

7 Die Entwicklung der Baukosten im Spiegel der staatlichen Vorgaben für den Wärmeschutz

Denn die Verwirrung ist schon da: Vor der Komplexität der Baukostenfrage schreckte die Bauministerkonferenz zurück, als sie Ende 2021 im Gebäudesektor die Abkehr von einem Primat des Wärmeschutzes erklärte und dies mit den Kosten der Dämmung begründete. Das dieser „Primat“ einem naturgesetzlichen Zwang in kalten Regionen entspringt und die skandinavischen Länder mit ihrem gegenüber Deutschland besser ausgeprägten Wärmeschutz davor bewahrte, in ähnlichem Maße von den fossilen Energien abhängig zu werden, lag wohl nicht auf der Waagschale. Unklarheit herrschte auch über die Relevanz der einzelnen baupreisbestimmenden Faktoren (Abb. 6).

Zur Beeinflussung der Konferenz hatte ausgerechnet der Zentralverband des Baugewerbes eine Studie veröffentlicht], die bei einem Übergang von EnEV-2016 auf Effizienzhaus 40 Mondpreise von 266 Euro pro Quadratmeter erwartete. Die studienverantwortliche ARGE für zeitgemäßes Bauen, ein Institut der Wohnungswirtschaft, berechnete schon 2016 , dass beim Übergang zum EH-40 nur 14 Prozent der Mehrkosten auf die Dämmung, 86 Prozent aber auf die Haustechnik- und Baunebenkosten entfielen. Diese Hypothek entstand als Konsequenz der haustechnikbasierten Effizienzhäuser Plus und der durch die überzogene Förderung hervorgerufenen Kostenexplosion im SHK-Gewerk. Die Kosten eines Effizienzhaus Plus zeigen: Die Gebäudeausstattung mit EE-Technologien ist mit 250 bis 380 Euro pro Quadratmeter Nettogrundfläche kostenseitig keine Alternative zum Wärmeschutz.

Aber nicht die Haustechnik, sondern den Wärmeschutz, diese für die Wärmewende entscheidende Stellgröße mit ihrem geringen Einfluss auf die Baukosten, erklärte die Bauministerkonferenz zum Problem. Dabei gab es nicht einmal politische Nöte: Die Grafik in Abb. 7 zeigt, dass infolge der staatlichen energetischen Vorgaben nie Kostensprünge zu verzeichnen waren. Bei der Einführung der Wärmeschutzverordnung 1995 entwickelten sich die Baukosten unbeeindruckt und sanken, der Standard der Energieeinsparverordnung 2014/2016 verschwand ohne jegliche Kostenspitze im stetigen Preisauftrieb des Baubooms, genau wie bei den ersten Wärmeschutzverordnungen 1977 und 1984, die bautechnisch ohnehin dem Markt hinterherliefen.

Der Wärmeschutz ist nicht das ­Kostenproblem

Eine empirische Analyse der Baukosten im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau Hamburgs für 112 ausgewertete MFH mit 4780 Wohneinheiten stellt fest:

  • Die Spanne der Mehrkosten innerhalb der Effizienzklassen ist sehr groß, es gibt also immer Optimierungspotenzial.
  • Die Baukosten der einzelnen Effizienzklassen unterscheiden sich im Mittel nur wenig voneinander.
  • Die Passivhäuser sind unter den 112 Objekten die kostengünstigsten Gebäude, mit einem Median der gesamten Baukosten (KG 100 bis 700; ohne TG und andere sehr spezielle Aufwände) von 2451 Euro pro Quadratmeter liegen sie sechs Prozent unter den Gesamtkosten der Gebäude nach EnEV 2009 und sieben Prozent unter denen des KfW-40-Standards.
  • Der Wärmeschutz ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Er ist die billigste, einfachste und funktionstüchtigste Technologie, nicht nur ein Glücksfall für das Gelingen der Energiewende, sondern auch alternativlos. Denn die Potenziale erneuerbarer Energien, die die Bauministerkonferenz als Alternative nun im Dunkel der Stadtquartiere sucht, reichen für die Deckung unseres heutigen Raumwärmeverbrauchs nicht aus. Dort, wo sie existieren, müssen sie vorhandene nicht absenkbare Bedarfe decken, in hoher Geschwindigkeit Gas und Öl ersetzen, die Fernwärme solarisieren und nicht etwa andere Techniken der Energiewende verdrängen. Wir brauchen sie alle.

    Werner Eicke-Hennig