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Fenster- und Fassadenbranche diskutiert zukünftige Herausforderungen

Auf deutliche Worte zu den politischen Querelen rund um GEG und 65-%-Regel musste man beim Jahreskongress des VFF bis zum letzten Vortrag warten. Dann sprach Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung über die anstehende Transformation der Wirtschaft. Und im Zusammenhang der Auseinandersetzung um die Pflicht zum Heizungstausch von „Panikmache“. Aber auch die Vertreter der Branche selbst äußerten mehr als einmal ihr Unbehagen angesichts der Debatte der vergangenen Wochen und Monate.

Den ernsten Hintergrund, vor dem man Gesetze und Verordnungen zum Klimaschutz sehen muss, erläuterte am ersten Tag Wetterexperte Frank Böttcher. Es werde nicht bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad, auch nicht bei zwei Grad bleiben. Eher sei mit drei bis vier Grad zu rechnen, und in der Folge mit einem beschleunigten Ansteigen des Meeresspiegels, dazu mit mehr Sonnenstunden, intensiveren und länger anhaltenden Hitzeperioden sowie andererseits mehr Starkregenereignissen. Dagegen müssten die Gebäude in Zukunft gewappnet sein.

Von einer Zunahme der Windstärken und generell häufigeren Stürmen und Orkanen sei nicht auszugehen, ein Faktum, das VFF-Geschäftsführer Frank Lange anschließend in Zweifel zog: auch hierauf sollten Immobilien künftig eingestellt sein. Peter Schober von Holzforschung Austria hatte auf dem 2. Fachforum Gebäudehülle eindrucksvoll die Auswirkungen von Extremwetter auf die Gebäudehülle gezeigt. Fenster und Fassaden müssten nun einerseits das Gebäude vor Hitze und Starkregen schützen, zugleich aber auch würden nachhaltige Herstellungsprozesse und insbesondere ein niedriger Gehalt an grauen Emissionen zum Verkaufsargument werden, sagte Böttcher.   

Fairness beim Klimaschutz

Professor Andreas Löschel, Wirtschaftswissenschaftler von der Ruhr-Universität Bochum, stellte die Frage nach der notwendigen Fairness beim Klimaschutz in den Mittelpunkt, ohne die die Bereitschaft jeder und jedes Einzelnen, selbst etwas zu tun, weiter sinken werde. Nur mit höheren CO2-Preisen, die die sozial Starken, Hauptverursacher der Emissionen, stärker belasten würden, könne dieses Ziel erreicht werden. Mit den Einnahmen müssten unter anderem die finanziell am schlechtesten Gestellten unterstützt werden. Eine der dringendsten Aufgaben im Gebäudebereich sei die Senkung des Energieverbrauchs, die entsprechenden Maßnahmen müssten jedoch in weit höherem Maße als bisher gefördert werden.

Professor Andreas Löschel ging auf die soziale Komponente der Energiewende ein. Sie könne nur gelingen, wenn man auch die finanziell schlechter Gestellten mit einbeziehe.

Daniel Mund / GW

Professor Andreas Löschel ging auf die soziale Komponente der Energiewende ein. Sie könne nur gelingen, wenn man auch die finanziell schlechter Gestellten mit einbeziehe.

„Ein Haus ist mehr als Technik“

In einer anschließenden Diskussion zwischen Thomas Drinkuth von der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG), Christian Maaß vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Christian Stolte von der Dena sowie Karl-Sebastian Schulte, Geschäftsführer des Unternehmerverbands des Deutschen Handwerks (UDH) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), verwies Christian Maaß auf die EU-Gebäuderichtlinie, die strengere Vorgaben hinsichtlich der Gebäudeeffizienz erfordere.

Karl-Sebastian Schulte mahnte an, dass nach der Debatte um den Heizungstausch jetzt wieder mehr über die Gebäudehülle geredet werden müsse. Christian Stolte empfahl, beim Thema Wärmeschutz in der Kommunikation mit Entscheidern auch den Aspekt der Behaglichkeit zu betonen, Schulte meinte, man solle den Aspekt der Unabhängigkeit in den Vordergrund stellen und sprach sich für eine neues Narrativ aus: „Ein Haus ist mehr als Technik“.

Daniel Pfanner vom Ingenieurbüro Bollinger + Grohmann, Professor für konstruktiven Ingenieurbau an der Frankfurt University for Applied Sciences, warnte in seinem Beitrag davor, den sommerlichen Hitzeschutz bei der Planung von Fenstern und Verglasungen gegen die Tageslichtversorgung auszuspielen. Er zeigte, wie beides unter einen Hut zu bringen ist und gab in diesem Zusammenhang den Tipp, bei jedem Projekt eine thermische Gebäudesimulation durchzuführen, auch wenn nicht gefordert.

„Wir brauchen nicht noch einen Shitstorm“

Am nächsten Tag ging Thomas Drinkuth von der RTG noch einmal auf die Aufregung um die 65-%-Regel ein und wies auf ein Dilemma hin: Einerseits seien Anforderungen an die Gebäudeeffizienz sinnvoll, andererseits drohten bei verschärften Verordnungen erneut emotionale Diskussionen. Drinkuth: „Wir brauchen nicht noch einen Shitstorm“.

Professor Sabine Flamme von der TH Münster, Expertin in Sachen Kreislaufwirtschaft, Stoffstrom- und Ressourcenmanagement, appellierte anschließend an die Anwesenden, die Branche müsse wie die gesamte Bauwirtschaft lernen, grundsätzlich immer „bis zum Rückbau zu denken“, gerade angesichts knapper Ressourcen und der Grauen Energie, die in Glas und Aluminium stecke. Dieses Umdenken lohne sich, denn die Verordnungen gingen in Richtung einer „zirkulären Wertschöpfung“.

Bauen sei in Zukunft „Lageraufbau“, Materialien wie Bauteile müssten einfach und unkompliziert wieder in den Stoffkreislauf zurückkehren können. Wobei der Einsatz des Building Information Modeling (BIM) helfen könne, denn so ständen die Daten zu den einzelnen Materialien und Bauteilen später zur Verfügung. Betreffs der Wiederverwertung von gerade Aluminium und Kunststoff sei die Fenster- und Fassaden-Branche immerhin schon recht weit.

Ähnlich argumentierte auch Professor Winfried Heusler, Senior Vice President von Schüco, der neben dem Stoffkreislauf die Bedeutung des Produktkreislaufs hervorhob, die Wiederverwendung oder Aufwertung ganzer Bauteile, wie eben auch von Fenstern. Vermeidung von Schadstoffen in der Produktion gehöre dazu, ebenso wie ein Design, das auf „Demontagefreundlichkeit“ ausgerichtet sei.

Die Podiumsdiskussion eröffnete danach Moderator Paul Lichtenthäler von Lichtenthäler PR mit dem Hinweis auf eine neue Publikation Eckhard von Hirschhausens, „Mensch, Erde!“, in der dieser recht geschickt den Faktor Nachhaltigkeit mit dem der Gesundheit verbinde und so aufzeige, wie man mehr Menschen für den Klimaschutz gewinnen könne. Flamme deutete an, dass Banken in Zukunft die Vergabe von Krediten an die Nachhaltigkeit eines Projektes binden könnten. Professor Jörn Peter Lass, Leiter des ift Rosenheim, hob wie Heusler die Wichtigkeit der Trennbarkeit von Bauteilen hervor und bemängelte hier auch den Einsatz von Montageschäumen in der Fenstermontage.      

Einen einigermaßen optimistischen Ausblick in die Zukunft wagte Professor Marcel Fratzscher vom DIW.  

Daniel Mund / GW

Einen einigermaßen optimistischen Ausblick in die Zukunft wagte Professor Marcel Fratzscher vom DIW.  

Optimistischer Ausklang

Verhalten optimistisch äußerte sich zum Abschluss Professor Marcel Fratzscher, Präsident des DIW. Wirtschaft und Gesellschaft hierzulande seien hinreichend widerstandsfähig. Sicher werde es die Baubranche angesichts weiter hoher Zinsen nicht leicht haben. Er forderte gerade deswegen mutige Investitionen seitens der öffentlichen Hand, in die Bildung (Stichwort: Fachkräftemangel), in die Infrastruktur, in energieeffizientes Bauen und energetische Modernisierung. Zugleich äußerte er sich kritisch zur Schuldenbremse. Denn die jetzigen Probleme hätten sehr viel mit fehlenden Investitionen in der Vergangenheit zu tun. ab

Einen Überblick zu Innovationen bei Fenstern finden Sie auch in unserem Video zu diesem Thema im Youtube-Kanal.