Ein verstärkter Ausbau von Photovoltaik (PV) auf Mehrfamilienhäusern könnte einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des Ziels von 215 Gigawatt installierter Gesamtleistung bis 2030 und einem jährlichen Ausbau von 22 Gigawatt ab 2026 leisten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Ariadne-Kopernikus-Projekts „Die Zukunft unserer Energie“ des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). In diesem wird ein Potenzial von bis zu 60 Gigawatt PV-Aufdachanlagen im Bestand von 3,1 Millionen Mehrfamilien-Gebäuden (ab drei Wohneinheiten) mit 20,1 Millionen Wohnungen errechnet. Dies entspricht 28,1 Prozent des gesamten Ausbauziels bis 2030.
Mieterstromprojekte sind wirtschaftlich
Für eine effiziente Einbindung des ermittelten Potenzials in das Stromsystem fehlen laut Studie jedoch bislang die technischen und regulatorischen Voraussetzungen. Um netzdienliche Verbrauchs- und Einspeiseanpassungen anzureizen, sind neben dem Smart-Meter-Rollout insbesondere Anpassungen zur Regelbarkeit von PV-Anlagen und eine stärkere Verbreitung dynamischer Stromtarife erforderlich. Zudem sollten starre Vergütungssätze reformiert sowie regionale Komponenten im Strompreis, die Überlastungen im regionalen Stromnetz abbilden, eingeführt werden.
Die Studie untersucht zudem die Wirtschaftlichkeit von Gebäude- und Mieterstromprojekten, in denen Solarstrom an die Bewohnenden direkt vor Ort geliefert wird. Die Ergebnisse zeigen, dass Mieterstromprojekte unter bestimmten Voraussetzungen wirtschaftlich tragfähig umgesetzt werden können. Im Basisszenario für ein typisches Gebäude, bei dem 75 Prozent der Mietenden am Mieterstrommodell teilnehmen und Standardkosten für PV-Module sowie Marktpreise für Strom berücksichtigt werden, wird eine interne Verzinsung von 3,6 Prozent erzielt. Unter idealen Bedingungen – beispielsweise bei vollständiger Mieterbeteiligung, höheren Stromverbräuchen vor Ort oder geringeren Investitionskosten – ist eine Rendite bis 18,5 Prozent möglich. Die Renditen beim Mieterstrom liegen in den betrachteten Varianten zwischen 1,1 bis 3,6 Prozentpunkte höher als beim Gebäudestrom, da der Weiterverkauf von Netzstrom profitabel gestaltet werden kann und Mieterstromzuschlag gewährt wird.
Technische und regulatorische Herausforderungen
Auf der anderen Seite zeigt sich, dass Gebäude- und Mieterstromprojekte im Vergleich zu klassischen PV-Dachanlagen deutlich komplexer sind und daher vor erheblichen technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Herausforderungen und Unsicherheiten stehen. Ein starker Kostenfaktor entsteht durch die zusätzlichen Anforderungen an Messtechnik, Abrechnung und Kundenbetreuung. Die gesetzlich festgelegte maximale Vertragslaufzeit von zwei Jahren für Stromverträge – eine Maßnahme des Verbraucherschutzes – erschwere zudem die langfristige Planungssicherheit für Investoren, so das Gutachten.
Um Gebäude- und Mieterstromprojekte zukünftig attraktiver zu machen, sind laut Studie eine Reihe gezielter regulatorischer Anpassungen erforderlich. Den mit Abstand wichtigsten Punkt stellt dabei die Standardisierung der Wechselprozesse bei den Netz- und Messstellenbetreibern dar, die aktuell aufwendig und langwierig sind. Zudem sollten einheitliche, standardisierte Messkonzepte etabliert werden, die den administrativen und technischen Aufwand reduzieren und damit die Wirtschaftlichkeit durch die Skalierung von Gebäude- und Mieterstromprojekten verbessern. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob die aktuell parallelen Regelungsansätze von Gebäude- und Mieterstrom mit geringeren bürokratischen Anforderungen zusammengelegt und weiterentwickelt werden können, um die hohe Komplexität zu verringern und die Vorteile beider Modelle zusammenbringen zu können. Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft / ms