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Und dann kam Böblingen …

Warum ist eigentlich woanders immer alles besser? Da wohne ich schon in Tübingen, der grünsten, fahrradfreundlichsten und innovativsten aller Städte (außer Münster und Freiburg, vielleicht). Wäre ich nicht in Urlaub gefahren, wäre ich weiterhin sicher, dass unsere kleine schwäbische Welt in Ordnung ist. Aber was mache ich, naiv wie ich bin? Ich fahre Richtung Nordwesten Richtung Meer. Über Köln und Aachen, wo noch alles wie zu Hause war: Autos bis zum Abwinken, radfahrende Menschen quetschten sich zwischen den Blechkolonnen hindurch. Aber dann ging es los.

Der erste Schock war das belgische Gent. Dort gibt es nicht nur Kopfsteinpflaster, das kenne ich, sondern Schilder, die radelnden Fremden den Weg zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt weisen. Und eine Trennung zwischen Rad- und Fußgängerwegen. Und Vorfahrt für Radler beim Überqueren von Straßen. Das grenzt bei Autofahrern, die mit ihren Karossen verwachsen sind – müssen wir Namen nennen? - an Körperverletzung. Doch es kam noch schlimmer. Die nächste Station war das niederländische Zeeland. Dass es sowas gibt! Ne, ich meine nicht Fritten, Waffeln und Kibbeling, diese Fischreste aus der Fritteuse. Sondern Sensoren im Boden vor den Radampeln, die diese ganz automatisch auf Grün schalten, wenn ich als Radlerin heranfahre. Schnell bin ich hier ein Verkehrshindernis, denn zu Hause in Deutschland gilt: Eine rote Ampel ist eine rote Ampel ist eine rote Ampel. Und Rot heißt anhalten, absteigen, Knopf drücken, warten. Aber in Holland eben nicht. Nähert man sich einer roten Ampel, gibt man Gas und weiß, bis ich da bin, ist die Ampel grün, und das klappt.

Bei uns in Tübingen arbeiten die Ampeln anscheinend mit Gesichtserkennung, schließlich sind wir eine KI-Metropole. Egal wer kommt, sie sind rot. Aber es geht noch deutlich schlimmer. Fahre ich mit dem E-Bike zur Arbeit, komme ich über Böblingen. Kennen Sie nicht? Macht nichts. Falls Sie einmal aus Versehen mit dem Rad nach Böblingen kommen, um von dort den Zug zu nehmen, und auf Anhieb den Bahnhof finden, gebe ich Ihnen ein Eis aus. Den Bahnhof scheint nie jemand zu suchen, außer vielleicht mit dem Autonavi, denn bei Hinweisen herrscht komplette Fehlanzeige. Und selbst wenn ihn jemand mal undigital gefunden hat, ist er nicht save, denn der Bahnhof versteckt sich immer wieder neu. Kein Schmu! Ich hatte den Weg schon ein paar Mal gefunden, aber immer wieder stehe ich dann beim nächsten Mal vor einer riesigen Baugrube. Umleitung für Zweiräder? Fehlanzeige. Macht nix. Jede zweite S-Bahn fällt auf meiner Strecke eh aus. Und im Sommer hält sie nicht da, wo ich hinwill, sondern setzt mich in der Baugrube für Stuttgart 21 ab. Der Grund: Digitalisierung des Bahnnetzes. Na supi, dann sind ja vielleicht irgendwann auch die Radwege dran und bekommen schicke Sensoren im Belag. Oder es gibt digitale Wegweiser. Die Hoffnung stirbt zuletzt. pgl

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