Ein Großteil der Bestandsgebäude in Deutschland ist energetisch auf einem schlechten Stand. Wie dieses Sanierungspotenzial am besten gehoben werden kann, haben Fachleute auf dem Herbstforum Altbau am 20. November 2025 in Stuttgart diskutiert. Sie zeigten, wie Energieeffizienz und erneuerbare Energien den Gebäudebestand zukunftsfähig machen sowie welche Entwicklungen die Sanierungspraxis voranbringen. Den Schwerpunkt bildeten Beiträge aus der Praxis. Doch auch gesellschaftliche Fragen zum Klimaschutz waren Thema der Leitveranstaltung der Sanierungsbranche in Süddeutschland.
Bestehenden Wohnraum besser nutzen statt neu bauen
Sie erfuhren von Wirtschaftswissenschaftler Daniel Fuhrhop, dass immer mehr Menschen auf zu viel Wohnraum lebten. So verfügen allein in Baden-Württemberg 770.000 Ein-Personen-Haushalte über mehr als 80 Quadratmeter Wohnfläche. Auch dadurch wachse die Zahl der Wohnungssuchenden. Neu zu bauen sei angesichts der hohen Emissionen durch Neubauten im Zusammenhang mit der Klimakrise jedoch nicht vertretbar. Fuhrhop fordert daher Lösungen im Bestand: Neben Ausbauten und Aufstockungen von bestehenden Gebäuden gelte es, vorhandene Wohnflächen besser zu nutzen – etwa durch Cluster-Wohnungen, Wohnungsteilungen nach dem Auszug der Kinder oder von bislang nicht genutztem Wohnraum im Keller oder Dach. Gleichzeitig sollten bereits bestehende, aber leerstehende Wohnungen – wieder – in die Vermietung gebracht werden.
Wärmepumpe trifft Altbau
Zukunft Altbau / Martin Stollberg
Constanze Bongs, Deutschlands erste Professorin für Wärmepumpen von der Hochschule Karlsruhe erklärte in ihrem Fachbeitrag, was bei der Dimensionierung von Luft-Wasser-Wärmepumpen im Altbau zu beachten ist. Die Ergebnisse ihrer neuesten Studien zeigen, dass Wärmepumpen im Durchschnitt um den Faktor 1,5 überdimensioniert sind. Dies kann bei einer guten Planung vermieden werden. Dem konnte Jörg Knapp, Leiter des Referats Technik beim Fachverband Sanitär Heizung Klima Baden-Württemberg, nur beipflichten. Er betonte, dass bei 90 Prozent der Problemfälle mit Wärmepumpen eine unzulängliche Planung als Ursache zu nennen sei. Außerdem verwies er auf die Bedeutung des hydraulischen Abgleichs.
Wasserstoff in der Wärmeversorgung macht keinen Sinn
Volker Kienzlen, Geschäftsführer der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg, zeigte in seinem Vortrag die Grenzen und Chancen von grünem Wasserstoff für die Wärmeversorgung auf. Er stelle ein Positionspapier vor, das er mit zahlreichen anderen Fachautoren verfasst hat. Darin erklären die Fachleute, warum ein klimaneutrales Energie- und Wirtschaftssystem Wasserstoff braucht – er aber nicht überall eingesetzt werden kann. Vor allem energieintensive Branchen wie Stahl und Chemie brauchten ihn, um treibhausgasneutral zu werden. Für die Beheizung von Gebäuden werde der chemische Energieträger dagegen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Die Hauptgründe: Grüner Wasserstoff wird auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben. Zudem sei der Einsatz zur Erzeugung von Raumwärme im Vergleich mit Wärmepumpen und Wärmenetzen ineffizient.
Wärmenetze mit Niedertemperatur effizienter machen
Zukunft Altbau / Martin Stollberg
Wie erneuerbar gespeiste Niedertemperatur-Wärmenetze erfolgreich errichtet werden können, darüber informierten Esther Fischer und Kristine Rinderle von der Energieagentur Kreis Ludwigsburg. Erneuerbare Wärmenetze haben unter anderem den Vorteil, dass sie die Energie vor Ort erzeugen. Darüber hinaus können sie Wärmequellen erschließen, die Einzelhaushalte nicht anzapfen können, etwa über Flusswärmepumpen oder tiefe Geothermie. Entscheidend bei Niedertemperatur-Wärmenetzen ist, dass die Vorlauftemperatur für das Wärmenetz nicht über 55 bis 60 Grad Celsius liegt und damit niedriger ist als bei herkömmlichen Netzen. Niedrige Vorlauftemperaturen nannten die beiden Geschäftsführerinnen als Schlüssel, um erneuerbare Energien besonders effizient einzusetzen.
Erneuerbare Energie funktionieren auch für den Bestand
Selbst im Denkmal kann es eine Wärmepumpe auf eine Jahresarbeitszahl von 3,6 bringen, wie ein nicht alltäglicher Heizungstausch in einem 1785 errichteten Schwarzwaldhof zeigt. Markus Bur am Orde vom Ingenieurbüro für Energieeffizienz aus Königsfeld führte dafür einen hydraulischen Abgleich durch und stellte die Heizkurve ein. Von der Installation einer Photovoltaikanlage auf einem Mehrfamilienhaus in Bad Cannstatt berichtete Antonia Reiter von den Solarscouts Stuttgart. 2009 wurde das 1928 errichtete Gebäude zu einem Wohnhaus mit 23 Wohneinheiten umgebaut. Ende 2022 beschloss die Wohneigentümergemeinschaft, eine Mieterstromphotovoltaikanlage mit Batteriespeicher installieren zu lassen. Die Anlage rechnet sich: Sie macht Gewinn, der Überschuss beträgt rund 12.000 Euro pro Jahr, so dass sie nach rund zwölf bis 14 Jahren abbezahlt sein wird.
Sanierung sprintet durch Baden-Württemberg
Abschließend präsentierte Darius Heller die Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung der ersten Sanierungssprints in Baden-Württemberg. Das Sanieren eines Altbaus dauert normalerweise mehrere Monate bis Jahre. Das hält viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer davon ab, eine Modernisierung anzugehen. Hinzu kommt, dass die Baukosten häufig höher ausfallen als ursprünglich geplant. Das Konzept des Sanierungssprints will Abhilfe schaffen: Es soll eine energetische Sanierung in rund 22 Werktagen mit standardisiertem Verfahren ermöglichen und das zu einem vorab festgelegten Preis. Zukunft Altbau wird das Konzept künftig im Südwesten weiterverbreiten und begleiten. Quelle: Zukunft Altbau / jb