Kaum eine Vorschrift wird die Bau- und Immobilienbranche in den kommenden Jahren so grundlegend verändern wie die neue EU-Gebäuderichtlinie EPBD 2024. Mit ihr kommen CO₂-Bilanzen im Energieausweis, der Ausstieg aus fossilen Heizsystemen, Nullemissionsstandards für Neubauten und digitale Gebäudemodelle für jedes Projekt. Die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie EPBD 2024 ist am 28. Mai 2024 in Kraft getreten. Sie bildet den regulatorischen Rahmen für die Dekarbonisierung des europäischen Gebäudesektors, indem sie verbindliche Ziele, Mindeststandards und Nachweispflichten setzt. Sie verpflichtet zu konkreten Maßnahmen über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes: von der Planung über Bau und Betrieb bis hin zu Rückbau und Entsorgung. Entscheidend ist dabei nicht nur der Energiebedarf im Betrieb, sondern die Gesamtbilanz aller Emissionen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Vorgaben innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht überführen.
Die fünf zentralen Vorgaben der EPBD-Richtlinie 2024 im Überblick
Nullemissionsgebäude werden Standard: Ab 2030 dürfen neue Gebäude keine vor Ort verursachten CO₂-Emissionen mehr aufweisen. Für öffentliche Neubauten gilt das bereits ab 2028. Der Energiebedarf muss niedrig sein und über erneuerbare Quellen gedeckt werden.
Sanierungspflicht für ineffiziente Bestandsgebäude: Mindestens 16 Prozent der Nichtwohngebäude mit schlechtester Effizienzklasse müssen bis 2030 saniert werden, bis 2033 sogar 26 Prozent. Für Wohngebäude gelten nationale Reduktionsziele beim Primärenergieverbrauch.
Verbot fossiler Heizsysteme: Ab 2025 entfällt die Förderung für neue fossile Heizkessel. Der vollständige Ausstieg soll bis spätestens 2040 erfolgen. Mitgliedstaaten können nationale Einbauverbote erlassen.
Pflicht zur CO2-Lebenszyklusanalyse: Ab 2028 muss bei Neubauten mit mehr als 1.000 Quadratmeter Fläche das Treibhauspotenzial im Energieausweis ausgewiesen werden, ab 2030 bei allen Neubauten. Bewertet wird der gesamte Lebenszyklus.
Digitale Gebäudemodelle und Monitoring: BIM-Modelle, digitale Nachweissysteme und automatisierte Monitoringlösungen werden Pflicht. Sie dienen als Grundlage für Planung, Betrieb, Nachweise und Förderungen.
Graue Energie: Warum die EPBD-Richtlinie 2024 die Gebäudetechnik verändert
Mit der EPBD 2024 rückt erstmals die technische Gebäudeausrüstung in das Zentrum der CO2-Bewertung. Rohrleitungssysteme, Dämmmaterialien und Verteilsysteme müssen künftig ihre Umweltwirkungen über den gesamten Lebenszyklus nachweisen: von der Herstellung bis zum Rückbau. Besonders relevant ist dabei die sogenannte graue Energie – also die Emissionen, die bei Herstellung, Transport, Einbau, Wartung und Entsorgung eines Bauprodukts entstehen. In energieeffizienten Neubauten macht sie oft mehr als 50 Prozent der Gesamtemissionen aus. Ab 2028 sind entsprechende Daten im Energieausweis verpflichtend anzugeben, ab 2030 für alle Neubauten. Damit verändert sich auch die Rolle der Produkte. Gefordert sind Systeme mit geprüften Umweltproduktdeklarationen (EPD) und digitalen Schnittstellen für BIM-Modelle und CO2-Bilanzen.
Nachhaltigkeit in mehreren Phasen: der EPBD-2024-Fahrplan
Die EPBD 2024 ist mehr als eine technische Vorgabe. Sie ist ein Fahrplan mit klaren Fristen, verbindlichen Zielen und konkreten Anforderungen. Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen:
Bis 2026 müssen nationale Umsetzungsstrategien stehen. Unternehmen sollten jetzt ihre Prozesse prüfen und Nachweisstrukturen vorbereiten.
Ab 2028 gelten neue Vorgaben für große Neubauten – unter anderem die Pflicht zur CO₂-Lebenszyklusanalyse und die Einhaltung des Nullemissionsstandards für öffentliche Gebäude.
Ab 2030 betreffen diese Anforderungen alle Neubauten. Gleichzeitig greifen verbindliche Sanierungsvorgaben für ineffiziente Bestandsgebäude.
Quelle: Aquatherm / jb