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Praxis-Beispiel: Maximal unabhängig mit minimalen Energiekosten

Simone und Michael Hövel haben in Prien am Chiemsee ein Haus gebaut, das zu fast 100 % CO2-frei mit Solarenergie für Wärme, Strom und Mobilität versorgt wird – und zwar real und nicht nur bilanziell.

Unabhängigkeit vom Energieversorger ist laut Umfragen der wichtigste Grund für Bauherren, sich für eine Solaranlage zu entscheiden - sei es für eine Solarwärme- oder eine Solarstrom-Anlage. Auch Simone und Michael Hövel hatten diesen Wunsch, als sie mit der Planung ihres Eigenheims begannen. Dazu wollten sie ein Haus, bei dem so wenig CO 2 wie möglich durch die Energie-Erzeugung verursacht wird. Ihre Entscheidung fiel auf ein Sonnenhaus. Seit Mitte 2018 leben sie mit ihren beiden Söhnen darin. Die Energiebilanz nach einem Jahr bestätigt, dass sie beide Ziele erreicht haben. Die großen Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und an der Fassade erzeugen die Energie für Wärme, Strom und ein Elektroauto bilanziell CO 2 -frei, und auch real kommen sie nahe an die 100 % CO 2 -freie Energie-Versorgung. Das bedeutet minimale Energiekosten und maximale Unabhängigkeit.

Bayerische Bauweise

Bauen konnte die Familie auf einem Grundstück der Eltern im oberbayerischen Prien am Chiemsee. Der Bebauungsplan von 1974 verlangt einen bayerischen Baustil und den musste Michael Hövel, der die gesamte Energietechnik geplant hat, mit den Anforderungen des Sonnenhaus-Bau- und Energie-Konzepts vereinbaren.

Die Architektin Helga Meinel gestaltete die Optik und gab dem Einfamilienhaus mit Büro und insgesamt 221 m² beheizter Wohnfläche ein oberbayerisches Aussehen mit Dachüberständen und Holzbalkonen an der Vorderseite. Gemäß Bebauungsplan musste das Wohnhaus ein Satteldach mit 22 Grad Neigung haben. Bei einem Sonnenhaus sollte die Fläche für die Solarkollektoren allerdings möglichst steil geneigt sein, damit im Winter viel Solarwärme erzeugt werden kann. Hövel beschloss deshalb, die 31 m² Solarkollektoren an der Südfassade zu installieren. Die 90-Grad-Neigung eignet sich optimal für die Solarwärme-Erzeugung: Die tief stehende Sonne scheint im Winter senkrecht auf die Fläche und kann so viel Wärme erzeugen.

Auch das flache Dach erwies sich nun als vorteilhaft und zwar für die Produktion von Solarstrom. Für Photovoltaik-Anlagen ist eine Dachneigung von 10 bis 30 Grad optimal. Auf diesem Haus beträgt sie 22 Grad, darauf wurde eine PV-Anlage mit knapp 10 kW Leistung installiert. Auf dem Carport hat Hövel in diesem Frühjahr noch eine Anlage mit 4 kW Leistung montiert.

Um den Wärmebedarf zu reduzieren, wurde das Haus mit Wärme-Dämmziegeln gebaut. Bis in die zweite Etage – hier hat Hövel sein Büro - ist es gemauert, das Dach ist Holzbau.

Energiebilanz nach einem Jahr

Die Energiebilanz nach einem Jahr (Anfang Juli 2018 bis Ende Juni 2019) kann sich sehen lassen. Die Solarwärme-Anlage deckt 70 % des Wärmebedarfs für die Raumheizung und das warme Wasser. Für die geringe Zusatzenergie, die notwendig ist, reicht der Kachelofen im Wohnzimmer aus. Er wurde nach den Vorstellungen der Bauleute gemauert. Das Holz stammt von einem Bauern in der Nähe.

Der Haushalt und das Büro für den 1-Mann-Betrieb werden zu 90 % mit Solarstrom vom eigenen Dach versorgt. Da der Solarstrom zu großen Teilen von vormittags bis nachmittags erzeugt wird, also genau zu der Zeit, in der wenig Strom benötigt wird, hat Hövel im März dieses Jahres einen Solarstromspeicher mit 19,5 kWh Speicher-Kapazität einbauen lassen. So steht der Solarstrom auch abends zur Verfügung, wenn die ganze Familie zuhause ist.

Den Solarstrom nutzt Hövel auch für das Elektroauto, einen E-Golf von VW. Rund 25 000 km fahren seine Frau und er damit im Jahr. Das entspricht etwa 80 % ihrer Fahrten und zu 80 % fahren sie mit Solarstrom, hat er ermittelt. Die Familie besitzt noch einen VW-Bus als Reisemobil. Um diesen CO2-Ausstoß zu kompensieren, hat Hövel die PV-Anlage auf dem Carport installiert. Sein Speichersystem, das aus 3 Batteriemodulen besteht, ist an beide Photovoltaik-Anlagen gekoppelt und benötigt keinen zusätzlichen Wechselrichter.

Lukrative Förderung

Michael Hövel, der seit 2015 als unabhängiger Energieberater selbstständig tätig ist, übernahm die Bauphysik und plante die Anlagentechnik inklusive Energie und Elektroplanung. Das Haus ist mit KfW Effizienzhaus-Standard 55 geplant, hierfür hat es die Voraussetzungen in der Dämmung erfüllt. Hövel konnte die Wärmebrücken nach Passivhaus-Standard optimieren, sodass es KfW Effizienzhaus-Standard 40+ erreicht. Nach Passivhaus-Standard ist es wärmebrückenfrei. Dadurch erhielt er eine höhere Förderung.

Die Kosten hat er genau erfasst und er macht kein Geheimnis daraus. 600 000 Euro hat das Haus gekostet inklusive Garage und Carport, ohne Innenausstattung. Für die in der Summe enthaltene Sonnenhaus-Energietechnik fielen Mehrkosten in Höhe von 70 000 Euro an. Dafür hat Hövel 40 000 Euro Förderung erhalten (BAFA Solarthermie-Förderung, KfW-Programm Energieeffizient Bauen, Bayerisches 10 000 Häuser Programm). Bleiben 30 000 Euro Mehrkosten, wenn man die Fördersumme abzieht.

„Die amortisieren sich schon allein durch die eingesparten Benzinkosten“, sagt er und rechnet vor: „Wenn ich von 2000 Euro Spritkosten für 25 000 km im Jahr ausgehe, spare ich in 20 Jahren 40 000 Euro ein. Mit den 40 000 Euro haben sich die Mehrkosten für die Energietechnik zurückgezahlt.“

Für die nächsten 20 Jahre decken die Einnahmen aus dem eingespeisten Strom zudem alle anderen Ausgaben für Energie in Form von Scheitholz, Treibstoff und bezogenem Strom. Somit bessern die eingesparten Energiekosten für das Haus schon seit dem Einzug die Haushaltskasse auf.

„In der Mobilität und beim Wohnen sind wir im 21. Jahrhundert angekommen“, sagt Hövel mit Verweis auf die EU-Gebäuderichtlinie. Seit Juli 2018 leben er, seine Frau und die 9-jährigen Zwillinge Vinzenz und Severin in ihrem neuen Heim. Sie genießen den hohen Wohnkomfort und das angenehme Raumklima in dem Wissen, dass sie dem Klima damit keinen Schaden zufügen.

Als autark möchte Hövel sein Haus aber nicht bezeichnen, denn das würde im strengen Sinne bedeuten, dass es netzunabhängig sein muss. „Es ist größtmöglich unabhängig“, sagt er. „Wir haben es vom Unabhängigkeitsgrad her und auch wirtschaftlich optimiert.“

Technische Daten

  • Gebäudetyp: Einfamilienhaus mit Ingenieurbüro (Home Office)
  • Bauweise: Massivbau (Wärmedämmziegel Poroton)
  • Fertigstellung: 2018
  • Wohnfläche: 221 m²
  • Nutzfläche nach ENEV: 335 m²
  • Normwärmebedarf: 6 kW

Solare Energiegewinnung:

  • Ausrichtung des Gebäudes: Süden

Wärme:

  • Jahresbedarf Wärme für Heizung und Warmwasser: 10 700 kWh
  • Solarkollektor Fläche 31 m²/90° (Fassade)
  • Solarwärmespeicher: 4700 l
  • Solarer Deckungsgrad Heizung und Warmwasser: 70 %

Strom:

  • Jahresbedarf Strom: 6750 kWh (davon 3750 kWh E-Fahrzeug)
  • Photovoltaik-Anlagen:
  • Auf dem Haus: 10 kWp/22° Süd
  • Auf dem Carport: 4 kWp/8° West
  • Solarer Deckungsgrad Gebäude und Bürostrom: 90 %
  • Solarer Deckungsgrad Elektrofahrzeug: 80 %               
  • Solarstromspeicher (E3/DC): 19,5 kWh Speicherkapazität

Lüftungsanlage:

  • 2 getrennte Komfort-Lüftungs-Anlagen mit hohem Wärmerückgewinnungsgrad

Details Bauweise:

  • Massivhaus Dämmung mit Perlitfüllung,
  • Dachgeschoss Holzständerbauweise, Holzfaserdämmung, Einbaukollektoren in Holzfaser, Wärmedämmverbundsystem

Details Wärmespeicher:

  • 4700 l Pufferspeicher über 2 Stockwerke (Keller - EG) mit Frischwasserstation, Lademanagement ReWaTech

Details Heizsystem:

  • Fußbodenheizung, gemauerter Kachelofen mit Powall-Kesseleinsatz,
  • Brennstoffbedarf/Jahr: 3,5 Raummeter Buchenholz
  • Sonstige Anlagentechnik:
  • Notstromfähiger Batteriespeicher

Planung:

  • Planung Gebäude: Ingenieurbüro Exergenion, Architekturbüro Helga Meinel
  • Planung Anlagentechnik: Ingenieurbüro Exergenion
  • Energetischer Kompass: Fa. Timo Leukefeld
  • Sonnenhaus - Regelungstechnik: ReWaTech Froschauer & Nitsch GbR
  • Bauträger / Baufirma: Josef Schausbreitner  GmbH
  • Systemlieferant Solartechnik: Winkler Solar / Solar-Partner Süd GmbH
  • Montage Anlagentechnik: Solar-Partner Süd GmbH

Weitere Informationen:

Ingenieurbüro Exergenion: www.exergenion.de  

Sonnenhaus-Institut e.V.: www.sonnenhaus-institut.de  

www.facebook.com/sonnenhaus.institut  

www.twitter.com/SHInstitut