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Das Anspruchsvolle

Obwohl das Flachdach längst zur gängigen Variante einer Dachkonstruktion zählt, haben Schadensfälle auch zu einer Verunsicherung bei der Ausführung insbesondere nicht belüfteter Flachdächer mit voll gedämmter Holztragkonstruktion geführt. Das nahm der Informationsdienst Holz zum Anlass, ein ausführliches Planungshandbuch [1] herauszugeben, das auf über 90 Seiten wichtige Informationen für die Planung und Ausführung liefert. In diesem Fachbeitrag werden nur die (bauphysikalischen) Aspekte nicht belüfteter Aufbauten betrachtet, die insbesondere für Energieberater wichtig sind. Das sogenannte holzbau handbuch Reihe 3 Teil 2 Folge 1 kann kostenlos auf der Webseite des Informationsdienstes Holz (www.informationsdienst-holz.de) heruntergeladen werden.

Während man im Betonbau im Wesentlichen nur Flachdächer mit Wärmedämmung auf der eigentlichen Tragkonstruktion kennt, kann die Anordnung der Dämmung bei Flachdächern in Holzbauweise auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der Dämmstoff im Holzbau auch zwischen der Tragkonstruktion (Sparren) eingebracht werden kann.

Fünf verschiedene Bauweisen

Prinzipiell unterscheiden sich Flachdächer in Holzbauweise in belüftete und nicht belüftete Konstruktionen. Diese können insgesamt in fünf Typen (Abb. 1) unterteilt werden. Die nicht belüfteten Flachdächer werden mit ihren bauphysikalischen Besonderheiten im Folgenden Schritt für Schritt erläutert.

Typ I – nicht belüftetes Holz-Flachdach mit Aufdachdämmung

Bei einem nicht belüfteten Flachdach des Typs I befindet sich die Wärmedämmung überwiegend oberhalb der Tragkonstruktion. Ein gewisser Teil darf sich auch in der Tragkonstruktion befinden: Je nach Regelwerk [2], [3] zwischen 20 bis 33 % ohne weiteren Nachweis. Die Tragkonstruktion aus Holz bleibt im Wesentlichen nur dem Raumklima ausgesetzt und ist durch die zwei Abdichtungsebenen ober- und unterhalb der Aufdachdämmung nicht feuchtegefährdet. Dieser Aufbau ist bauphysikalisch einfach, hat sich seit über 20 Jahren bewährt und ist bereits seit 1996 in der DIN 68800 ohne besondere Anforderungen verankert. Auf Grund der beiden Abdichtungsebenen und der feuchtetechnisch robusten Bauweise ist es in den letzten Jahrzehnten zu keiner wesentlichen Schadenshäufung gekommen.

Typ III – nicht belüftetes Dach mit Wärmedämmung ausschließlich in der Tragebene

Da sich der Feuchteschutz von Typ II besser erklären lässt, wenn man zuvor Typ III erläutert, wird hier die Reihenfolge geändert. Zunächst muss Folgendes noch vorangestellt werden: Nicht belüftete Flachdächer mit einer Abdichtungsebene oberhalb der Schalung/Beplankung sowie mit der Wärmedämmung ausschließlich in der Tragebene gelten als Sonderkonstruktion. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Dächer vom Typ III nur sehr begrenzte Fehlertoleranzen aufweisen. Sie werden auch in der Schrift des Informationsdienstes Holz [1] nicht empfohlen und können nur unter der Abwägung möglicher Risiken in Abstimmung mit dem Auftraggeber erfolgen.

Kommen wir zum bauphysikalischen Wirkprinzip: Im Winter diffundiert Feuchtigkeit bis zur Abdichtungsebene direkt oberhalb der kalten Holzschalung/Holzwerkstoffplatte und dringt dort nicht nach außen. Neben dieser Feuchte kann trotz guter handwerklicher Ausführung noch weitere Feuchte über Konvektion in das Bauteil durch verbleibende Luftundichtheiten gelangen (Abb. 2, links). Im Sommer muss diese Feuchte wieder aus dem Bauteil diffundieren. Da die äußere Abdichtung in der Regel sd-Werte oberhalb von 20 m aufweist, kann die Konstruktion zum größten Teil nur zum Raum hin rücktrocknen. Somit kommt der Dampfbremse auf der Raumseite eine hohe Bedeutung zu. Sie darf im Winter nur geringe Mengen Feuchte in die Konstruktion diffundieren lassen. Im Sommer muss sie dagegen so diffusionsoffen sein, dass die eingedrungene Feuchte wieder rücktrocknet (Abb. 2, rechts), die sogenannte Rückdiffusion. In der Regel wählt man hierfür feuchtevariable Dampfbremsen.

Neben der Dampfbremse wird die Trocknung im Wesentlichen durch das Außenklima und die Bauteiloberfläche bestimmt. Verschattungen, helle Abdichtungen, Bekiesung oder eine Begrünung reduzieren die Rücktrocknung zum Raum hin und können zur kontinuierlichen Auffeuchtung führen. Die Wirkung wird leider zu oft unterschätzt. Eine aufgeständerte Solaranlage, ein Nachbargebäude oder nur eine helle Abdichtung kann beispielsweise ausreichen, damit die obere Schalung innerhalb kurzer Zeit kaputtgeht.

Auch in anderer Hinsicht ist Vorsicht geboten: Eingeschlossene oder eindringende Baufeuchte sowie nur eine Abdichtungsebene, die in der Lebensdauer des Gebäudes auch mal kaputtgehen kann, erhöhen das Risiko einer solchen Bauweise. Eine detaillierte Risikoanalyse ist in [7] zu finden.

Typ II – nicht belüftetes Dach mit Wärmedämmung in der Tragebene mit Überdämmung

Bei dem nicht belüfteten Flachdach des Typs II befindet sich ein großer Teil der Dämmung ebenfalls im Gefach. Im Vergleich zu Typ III gehört hierzu aber zusätzlich eine Aufdachdämmung. Die Überdämmung wirkt bauphysikalisch insofern positiv, als sie die obersten Holzbauteile im Winter warm hält und sich die relative Luftfeuchte aus physikalischen Gründen reduziert. Es kommt dann nicht mehr zum Kondensat an der oberen Beplankung.

Durch die Überdämmung entsteht noch ein anderer positiver Effekt: Unterhalb der Dämmung wird eine zweite Abdichtungsebene eingebaut, die aus zweierlei Hinsicht notwendig ist: Erstens dient sie in der Bauphase dazu, das Dach nach der Errichtung schnell vor der Witterung zu schützen – Folien und Planen sind dafür denkbar ungeeignet. Zweitens dient sie später unterhalb der Dämmung als zweite Abdichtung, sollte die obere einmal versagen. Es muss jedem bewusst sein, dass die obere Abdichtung eine technische Lebensdauer hat, die nicht an die des Gebäudes selbst heranreicht. Bei einem Schaden wäre folglich das gesamte Tragwerk betroffen.

Regelwerke: hygrothermische Simulation erforderlich

Die Bauphysik von nicht belüfteten Flachdächern mit der Dämmung in der Tragebene (Typ II und III) ist so komplex, dass das vereinfachte Diffusionsbilanzverfahren nach Glaser für Flachdächer nicht angewendet werden darf (siehe [2] Abs. 5.2.1) Die bereits oben genannten Randbedingungen (Außenklima, Farbe der Abdichtung, Verschattung, Deckschichten wie Begrünung etc.) sind schlicht und ergreifend nicht in einer vereinfachten Diffusionsbilanz erfassbar. Sie können nur (!) über dynamische hygrothermische Simulationsmodelle abgebildet werden. Das Bauteil ist folglich mit einer hygrothermischen Simulation zu bemessen, die alle Einflussgrößen berücksichtigt. Dies ist bereits seit 2012 in der Holzschutznorm DIN 68800-2 [4] festgeschrieben und mittlerweile in sehr vielen Regelwerken [2] [5] [6] verankert.

Vorbemessung

  • Da zu einem frühen Planungszeitpunkt nicht unbedingt eine hygrothermische Simulation erfolgt, bietet das holzbau handbuch des Informationsdienstes Holz [1] im Anhang eine Vorbemessung für zwei unterschiedliche Flachdächer des Typs II (Abb. 3). Damit lässt sich die Dämmdicke der Überdämmung bemessen. Bevor Energieberater dies berechnen können, müssen sie erst einmal die Vorgaben und Eingangsparameter beachten und ermitteln. Dazu zählen:Jahresmitteltemperatur: Die Dicke der Überdämmung (dZ) hängt bei den gezeigten Aufbauten von der Jahresmitteltemperatur des Standortes ab. Einen Link zu den Jahresmitteltemperaturen verschiedener Standorte findet man unter www.informationsdienst-holz.de (Publikationen –> Reihe 3 Bauphysik –> Flachdach im Holzbau).
  • Art der feuchtevariablen Dampfbremse: Aktuell dürfen nach DIN 68800-2 [4] nur feuchtevariable Dampfbremsen mit einer bauaufsichtlichen Zulassung verwendet werden. Im Planungshandbuch [1] sind die drei entsprechenden Zulassungen aufgeführt.
  • Art des Dämmstoffes im Gefach: In Bezug auf den Feuchteschutz besteht ein Unterschied zwischen einem sorptiven (Holz- und Zellulosefaser) oder einem wenig sorptiven Dämmstoff (Mineralfaser).
  • Luftdichtheit und Höhe des Gebäudes: Die Luftdichtheit ist zwingend inklusive einer Leckageortung durchzuführen. Im Dachbereich dürfen keine nennenswerten Undichtheiten mehr feststellbar sein. Die Begrenzung der Höhe hat mit dem konvektiven Feuchteeintrag durch Leckagen zu tun. Je höher das Gebäude, desto größer wird der Feuchteeintrag.
  • max. Höhe des Gefaches: Da die zu bemessende Dämmdicke der Überdämmung vom Wärmedurchlasswiderstand des Gefaches (RG) abhängt, darf dieser nur max. 6,86 m²K/W betragen. Daraus ergeben sich Dämmdicken (dG) von ca. 24–27 cm, je nach Wärmeleitfähigkeit des Gefachdämmstoffes (0,035–0,040 W/mK).
  • max. zulässige Holzfeuchte: Die Vorbemessung gilt nur für Bauteile, deren Hölzer max. 18 M-% Holzfeuchte aufweisen, was heute üblich sein sollte. Aber auch auf solchen Baustellen kann es mal nass werden. Daher sollte die Holzfeuchte später auf der Baustelle auch geprüft und dokumentiert werden.
  • Raumluftfeuchte: Die Vorbemessung gilt für den normalen Wohnbereich.

Sind alle Daten vorhanden, kann man die Dicke der Zusatzdämmung mittels der Formel ermitteln (siehe Abb. 3, rechte Spalte).

Anhand eines Beispiels soll das Vorgehen verdeutlicht werden: Das zweigeschossige Passivhaus mit einem begrünten Flachdach steht in der Nähe von Fulda. Fulda hat laut Deutschem Wetterdienst (DWD) in der Periode 1981–2010 eine Jahresmitteltemperatur von 8,6 °C. Das Dach mit einer Sparrenhöhe von 20 cm (dG) soll mit Zellulose (G= 0,040 W/mK –> RG = 0,20/0,04 = 5 m²K/W) gedämmt werden. Als feuchtevariable Dampfbremse soll eine proclima intello Plus mit der bauaufsichtlichen Zulassung (Z-9.1-853) eingebaut werden. Bei einem Passivhaus kann von einer guten Luftdichtheit ausgegangen werden. Da das Dach durch eine Solaranlage verschattet wird, ergibt sich ein Anteil an Zusatzdämmung (V) von 51,4 %. Die Wärmeleitfähigkeit der Überdämmung (Z) liegt bei 0,030 W/m²K.

Trägt man alle Daten in die Formel ein, ergibt sich eine Dicke der Überdämmung (dZ) von:

dZ= dGZ / GV / (100% – V) = 20(0,03/0,04)51,4% / (100 % – 51,4) = 20  0,75  1,06 = ~ 16 cm

Daraus errechnet sich bei 15 % Holzanteil ein U-Wert von 0,10 W/m²K, der gut zur Passivhausweise passt.

Fazit

Flachdächer sind anspruchsvollere Dachkonstruktionen als traditionelle Steildächer. Das neu erschienene Informationsdienst-Holz-Heft [1] soll bei der Planung von Flachdächern in Holzbauweise eine umfassende Hilfestellung liefern. Die feuchtetechnischen Aspekte sind nur eine von vielen Disziplinen, die es zu beherrschen gilt – allerdings können hier Fehleinschätzungen unangenehme und teure Folgeschäden nach sich ziehen.

Von den insgesamt fünf verschiedene Typen an Flachdächern bei Holzbauweisen wurden in diesem Artikel drei nicht belüftete Varianten bauphysikalisch genauer betrachtet. Während das Flachdach mit der Wärmedämmung auf der Tragebene (Typ I) bauphysikalisch unkritisch ist, gilt Typ III (Wärmedämmung nur in der Tragebene) als Sonderkonstruktion, die nur geringe Fehlertoleranzen aufweist. Typ II (Wärmedämmung in der Tragebene aber mit Überdämmung) ist hier toleranter, es sind jedoch einige bauphysikalische Randbedingungen zu beachten; unter anderem ist eine hygrothermische Simulation erforderlich. Das Planungshandbuch vom Informationsdienst Holz bietet für mindestens für zwei Fälle eine vereinfachte Vorbemessung an.

Literatur

[1] Informationsdienst Holz, holzbau handbuch Reihe 3 Teil 2 Folge 1 – Flachdächer in Holzbauweise, Hrsg.: Holzbau Deutschland e. V., Berlin 2019

[2] DIN 4108: Teil 3 – Klimabedingter Feuchteschutz – Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung, Beuth Verlag, Berlin 2018

[3] Merkblatt 6-8: Feuchtetechnische Bewertung von Holzbauteilen – Vereinfachte Nachweise und Simulation, Hrsg.: Wissenschaftlich Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege, IRB-Verlag, München 2016

[4] DIN 68800-2: Holzschutz – Teil 2: Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau, Beuth Verlag, Berlin 2012

[5] DIN 18531-1: Abdichtungen von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen – Teil 1: Beuth Verlag, Berlin 2017

[6] Merkblatt Wärmeschutz bei Dach und Wand, Hrsg.: Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks, Rudolf Müller Verlag, Köln Mai 2018

[7] Kehl, D.: Flachdach im Holzbau – eine differenzierte Betrachtung eines anspruchsvollen Bauteils; Beitrag im Tagungsband zum 9. Internationalen Holz[Bau]Physik Kongress 2018, Leipzig 2018 (Bestellung unter www.holzbauphysik-kongress.de)

Flachdächer in Holzbauweise

Die Broschüre „Flachdächer in Holzbauweise“, herausgegeben vom Holzbau Deutschland Institut e. V., beschreibt nicht nur das technisch Machbare, sondern bewertet auch die Vor- und Nachteile der verschiedenen Bauarten. Die darin aufgeführten Detail- und Anschlusspunkte zeigen robuste und dauerhafte Konstruktionen, die in fünf verschiedene, klar voneinander abgegrenzte Typen eingeteilt sind. Unterschieden werden nicht belüftete Flachdächer, die sich durch die Lage der Wärmedämmung im Bauteil unterscheiden sowie belüftete Flachdächer, die eine bewegte Luftschicht im Dachaufbau enthalten, die mit der Außenluft über geplante Bauteilöffnungen in Kontakt steht und vorwiegend dazu dient, Feuchte aus der Konstruktion abzuführen. Die von mehreren Autoren erarbeiteten Inhalte umfassen neben den flachdachspezifischen Erläuterungen der zahlreichen Planungsgrundlagen für Wärme-, Feuchte-, Brand- und Schallschutz auch Zeichnungen von Bauteilaufbauten, die in Bezug auf die genannten bauphysikalischen Eigenschaften bewertet sind. Die vollständig überarbeitete Schrift erscheint als holzbau handbuch in der Reihe 3, Teil 2, Folge 1 des Informationsdienst Holz. Sie kann kostenfrei heruntergeladen werden unter www.informationsdienst-holz.de/publikationen/. 

Dipl.-Ing. (FH) Daniel Kehl

ist gelernter Tischler, Holzbauingenieur und Sachverständiger für hygrothermische Bauphysik. Nach mehreren Jahren in der anwendungsbezogenen Forschung und Lehre führt er heute sein Büro für Holzbau und Bauphysik in Leipzig. Er ist Leiter der WTA-Arbeitsgruppe „Hygrothermische Bemessung von Holzbauteilen“, Referent beim Lehrgang „Sachverständige für hygrothermische Bauphysik (EUZ)“ und Fachautor sowie Referent auf verschiedenen Veranstaltungen und Seminaren.