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LESERBRIEFE

“Energieausweis ist bisher eine Pleite“

Seiner ihm angedachten Funktion, für Transparenz im Wohnungsmarkt zu sorgen, kommt der Energieausweis bisher kaum nach. Wer aktuell auf Wohnungs- oder Immobiliensuche Vermieter oder Verkäufer nach einem Energieausweis fragt, fliegt mitunter sogar von der Bewerberliste. Selten war allerdings überhaupt ein Energieausweis greifbar. Zu diesem Ergebnis kam der Berliner Mietervereins (BMV), nachdem sich im Juli und August Testkandidaten auf 167 Wohnungsinserate (für vor 1965 bezugsfertigen Wohngebäuden) in Zeitungen und im Internet beworben hatten.

„Wer fragt, gilt schon als Querulant“
Zu unserem Artikel (Energieausweis als Anmietungshindernis) erreichten uns etliche Leserbriefe. Ob aus der Perspektive als Energieausweisaussteller, Mieter, Vermieter oder Referent für Betroffene - fast alle bestätigen, dass es auch außerhalb der Bundeshauptstadt erhebliche Defizite gibt. „Wer nach dem Energieausweis fragt, gilt schon als Querulant.“ „Die Frage nach dem Energieausweis war in 8 von 10 Fällen das KO-Kriterium für den Vermieter sich mit uns weiter unterhalten zu wollen“, berichtet ein Energieberater, der sich für seine Kinder in den letzten Wochen auf Wohnungssuche begeben hatte. Energieausweise bekam er nicht zu Gesicht nur zwei Vermieter gaben an, dass er „beim Schornsteinfeger“ in Auftrag gegeben sei. Sein Fazit: Der Energieausweis ist bisher eine vollständige Pleite!

Informationsdefizite
Energieberater, die bereits mehrere Energieausweise ausgestellt haben, erleben immer wieder das gleiche Bild: Was bisher an allgemeiner Aufklärung gelaufen ist, hat die große Mehrheit der Mieter ebenso wie die Eigentümer und sogar die Wohnungsbaugesellschaften noch nicht erreicht. Zwar würden die meisten den verbrauchs- und den bedarfsorientierten Energieausweis („zumindest von der preislichen Einstufung“) kennen, aber nicht ihre Verwendungszwecke. So werden oftmals Verbrauchsausweise für den Bestand als Grundlage für eine Finanzierung/Förderung oder zur Vorlage beim Bauamt nach einer Teilsanierung bestellt. Andere wiederum erwarten statt eines Energieausweises zur Vermietung/Verkauf eine komplette Energieberatung zu bekommen. Wenig Kompetenz bescheinigen auch mehrere Energieberater den Banken, obwohl sie oft der erste Ansprechpartner der Käufer und Verkäufer von Immobilien sind.

Bisher nur Kosten aber keine Vorteile
Ein Energieberater, der auch vermietet, wies darauf hin, dass das Interesse potenzieller Mieter am Energieausweis kaum messbar sei: „Wie soll man so einen Marktvorteil erzielen? Meine Hoffnung, mit den Energieausweisen meine zum Teil energetisch aufwendig sanierten Wohnungen besser vermarkten zu können, hat sich bisher nicht erfüllt.“ „Ich habe schon seit 2006 die entsprechenden Ausweise erstellen lassen, was mir erhebliche Kosten verursacht hat. Nachweisbaren Nutzen hatte ich dadurch bisher keinen.“ Aus der Wohnungswirtschaft in Berlin schrieb uns ein Verwalter: „Was der Berliner Mieterverein festgestellt hat, dürfte mehr oder weniger stimmen. Ich will die Defizite bei den Vermietern gar nicht bestreiten. Ich vermute aber, so häufig wie bei diesem Test wurde bei bisher allen Vermietungen in Berlin zusammengenommen noch nicht nach dem Energieausweis gefragt. Wir sind von rund 1600 Bewerbern im Juli und August höchstens zehn Mal auf den Energieausweis angesprochen worden. Bei Wohnungsbesichtigungen legen oder hängen wir ihn aus, aber selten schaut jemand drauf.“

„Notwendiges Übel“
Während die vom Berliner Mieterverein aufgezeigte Situation durch die Bank bestätigt wird, werden für die Vollzugsdefizite unterschiedliche Gründe genannt. „Scheinbar sind einige doch informiert und nutzen die Gelegenheit, vor dem 1. Oktober von der Übergangsregelung Gebrauch zu machen. Ich stelle fest, es geht in der Regel darum ein notwendiges Übel möglichst preiswert loszuwerden.“ „Die mangelnde Aufklärung der Vermieter, Immobilienmakler und Anbieter von Immobilien ist nicht Schuld an der Misere. Es ist die Ignoranz der Beteiligten, die glauben, dass die Vorlagepflicht von Energieausweisen unterlaufen werden kann.“ „Ich halte Vorträge bei den Volkshochschulen zum Thema Energieausweis. Von zwölf Terminen sind drei abgesagt worden, wegen mangelnden Interesses. Scheinbar geht niemanden das Thema etwas an.“

Kaum zu reparieren
Zum Ob und Wie man das Problem lösen könnte, gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Beispielsweise wird eine „Verschärfung der Vorlagepflicht auf unaufgefordertes Vorlegen bei Verträgen und Verhängung von Ordnungsgeldern in erheblicher Höhe bei Verstoß gegen die Vorlagepflicht für jeden Einzelfall“ gefordert. Andere plädieren für eine breite Aufklärung von offiziellen Stellen, aber auch von unabhängigen Institutionen und auch von den Energieausweissausstellern selbst. Insgesamt dominiert aber die Auffassung, dass zunächst die EnEV bezüglich der Energieausweise und auch der Ausstellungsberechtigung reformiert werden müsse. „Es muss endlich eine gemeinsame, vergleichbare Grundlage geschaffen werden.“ Auch werden Kontrollen von offiziellen Stellen gefordert. Und was machen Mieter bis dahin? „Ein Anruf bei der dena hat ergeben, dass es keine Annahmestelle für Beschwerden gibt und dass es diese auch in nächster Zeit nicht geben werde.“...

Noch weitere Krisen im Anmarsch?
Dass der Energieausweis nicht vom Start weg auf breite Akzeptanz stößt, war vielleicht auch nicht zu erwarten. Mehrere Leserbriefe warnen allerdings davor, dass den Startschwierigkeiten auch noch eine Glaubwürdigkeitskrise folgen könnte: „Interessanterweise haben die vor 1965 fertig gestellten Immobilien durch die Bank super gute Werte, einem Neubau gleich. Die Gebäude werden von älteren, einkommensschwachen Menschen bewohnt. Die beheizen oft nur einen Raum. Aus Kostengründen und weil sie es so aus schlechteren Zeiten gewohnt sind. Die Konsequenz: der Verbrauch geht in den Keller. Demnächst werden viele enttäuschte Käufer und Mieter sich fragen, welcher Depp den Ausweis ausgestellt hat.“ GLR

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