Springe zum Hauptinhalt Springe zum Hauptmenü Springe zur SiteSearch
ENERGIEAUSWEIS

Beim Energieausweis wird nachgebessert

Am 18. Mai 2010 wurde im EU-Parlament die Neufassung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden („EU-Gebäuderichtlinie“) beschlossen (Bericht im GEB-NL). Neben der Einführung des Standards „Niedrigstenergiegebäude“ betrifft ein wesentlicher Punkt der Novelle den Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes („Energieausweis“). Hier fordert Europa künftig mehr Qualität, um die Wirkung zu erhöhen. Auch Deutschland muss deutlich nachlegen. Der Kern der Regelungen ist spätestens 2 Jahre und 6 Monate nach dem Inkrafttreten der EU-Gebäuderichtlinie – also voraussichtlich bis Ende 2012 – umzusetzen:

  • Künftig muss bei Bau, Verkauf oder Vermietung von Gebäuden oder Gebäudeteilen der Energieausweis oder eine Kopie dem potenziellen neuen Mieter oder Käufer vorgelegt und dem neuen Mieter oder Käufer ausgehändigt werden.
  • Die Mitgliedstaaten verlangen, dass bei Verkauf oder Vermietung von Gebäuden (bzw. Gebäudeteilen) bei Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in kommerziellen Medien der in dem Ausweis angegebene Indikator der Gesamtenergieeffizienz genannt wird.
  • Für rechtliche Auseinandersetzung bietet die Neuregelung bei den Modernisierungsempfehlungen beste Vorraussetzungen: „Der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz muss Empfehlungen für die kostenoptimale oder kosteneffiziente Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes oder Gebäudeteils enthalten, es sei denn, es gibt kein vernünftiges Potenzial für derartige Verbesserungen gegenüber den geltenden Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz.“ Modernisierungsempfehlungen müssen damit vom Aussteller auf Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Knifflig ist dies insbesondere, wenn mehrere Maßnahmen vorgeschlagen werden müssen, wodurch sich Abhängigkeiten ergeben. Gleichzeitig kann aus der EU-Gebäuderichtlinie abgeleitet werden, dass die Nichtnennung leicht erkennbarer und zugleich kostenoptimaler oder kosteneffiziente Verbesserungen einen Mangel begründen kann. Weiter heißt es: „Die in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz enthaltenen Empfehlungen müssen an dem betreffenden Gebäude technisch realisierbar sein und können eine Schätzung der Amortisationszeiträume oder der Kostenvorteile während der wirtschaftlichen Lebensdauer enthalten.“ Ob so detaillierte Kostenangaben in Deutschland als Kann- oder Muss-Regelung oder gar nicht umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
  • Eine Neuerung ist: „Der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz enthält einen Hinweis darauf, wo der Eigentümer oder der Mieter genauere Angaben, auch zu der Kosteneffizienz der in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz enthaltenen Empfehlungen, erhalten kann. Die Kosteneffizienz wird anhand einer Reihe von Standardbedingungen bestimmt, wie einer Bewertung der Energieeinsparungen, der zugrunde liegenden Energiepreise und einer vorläufigen Kostenschätzung. Zudem enthält der Ausweis Informationen über die zur Umsetzung der Empfehlungen zu unternehmenden Schritte.“
  • Der bisherige Schwellenwert von 1000 m2 Nutzfläche wird auf 500 m2 und fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der neuen EU-Gebäuderichtlinie auf 250 m2 abgesenkt (für Ausstellung und Aushang ohne Modernisierungsempfehlungen für Gebäude, die von Behörden genutzt werden und die starken Publikumsverkehr aufweisen).
  • Die qualifizierten / zugelassenen Aussteller werden künftig öffentlich gelistet. Das gilt für Energieausweise sowie die Inspektionsberichte von Heizungs- und Klimaanlagen.
  • Die Mitgliedstaaten müssen künftig gewährleisten, dass für die Energieausweise und die Inspektionsberichte für Heizungs- und Klimaanlagen unabhängige Kontrollsysteme gemäß Anhang II der Richtlinie eingerichtet werden. Anhang II sieht unter anderem vor, dass ein statistisch signifikanter Prozentanteil aller jährlich ausgestellten Energieausweise und der Inspektionsberichte einer Überprüfung unterzogen werden müssen.
  • Außerdem will die EI das Interesse am Energieausweis deutlich erhöhen: „Die Mitgliedstaaten informieren die Eigentümer oder Mieter von Gebäuden insbesondere über Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz und Inspektionsberichte, ihren Zweck und ihre Ziele, über kosteneffiziente Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes sowie gegebenenfalls über die zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes zur Verfügung stehenden Finanzinstrumente.“ Offensichtlich sieht die EU bei der Information der Bürger erheblichen Nachholbedarf. In Deutschland haben mehrere Befragungen ergeben, dass die Empfängergruppe Mieter kaum Interesse am Energieausweis und wenig Kenntnisse über ihn hat.

Deutschland hat im Ländervergleich viel Aufholbedarf
Viel Änderungsbedarf also. Im EU-Vergleich nimmt die aktuelle deutsche Energieausweis-Lösung ohnehin eher eine Sonderrolle ein. Das geht aus der vom Bundesbauministerium herausgegebenen Online-Publikation „Beobachtung und Evaluation der Energieausweispraxis im mitteleuropäischen Vergleich“ hervor (Bericht im GEB-NL). Deutschland ist beispielsweise in der Untersuchung die einzige Nation ohne Qualitätssicherung der Energieausweise und auch die einzige Nation, bei der ein Vor-Ort-Termin nicht verpflichtend ist bzw. nicht üblicherweise vorgenommen wird.

Novelle mit Spätwirkung
Viele der in den Energieausweis gesetzten Hoffnungen sind mit der aktuellen Umsetzung nicht erfüllt worden. Bisher gibt es allenfalls für kleine Marktanteile eine funktionierende Kontrolle der Qualität der Energieausweise. Deutschland würde also gut daran tun, die neuen Regelungen schon vor dem Fristablauf umzusetzen. Andererseits wird – sobald die (Kosten)Konsequenzen der neuen Energieausweise bekannt werden – bis zu ihrem Inkrafttreten eine große Nachfrage nach dem alten Energieausweis einsetzen. So dürfte es noch viele Jahre dauern, bis der neue Energieausweis spürbare Auswirkungen entwickeln kann, denn die alten Energieausweise wird wohl niemand vorzeitig für ungültig erklären. GLR

Uns interessiert Ihre Meinung: redaktion.geb-letter@geb-info.de