Springe zum Hauptinhalt Springe zum Hauptmenü Springe zur SiteSearch
LESERBRIEFE

Wenig spricht gegen den Passivhausstandard

Mit dieser Überschrift kann man die Briefe unserer Leser zu dem Artikel Wann wird das Passivhaus Standard? zusammenfassen. Das Wenige hat es aber noch in sich.

Gleich vorweg: Die Passivhaustechnik steht bei unseren Lesern hoch im Kurs. Nur zwei Kollegen äußerten generelle Bedenken, ob Passivhäuser der richtige Ansatz für Wohlfühlhäuser seien. Die angeführten Argumente „Schimmel und Depression durch dunkle Buden“ wollen wir an dieser Stelle aber nicht diskutieren. Sie mögen auf einzelne Passivhäuser zutreffen, sind aber mit Sicherheit keine typischen Merkmale. Wer sich mit offenen Augen im Altbestand und auch bei jüngeren Gebäuden umsieht, wird hier eine erheblich höherer Quote solcher Defizite entdecken.

Passivhaus im Neubau quasi eine Pflicht
Für einen verbindlichen Passivhausstandard im Neubaubereich treten viele Kollegen ein. Technisch sei er ohne weiteres zu realisieren und gehöre eigentlich längst für 2009 bis 2012 (Fachleuteproblem) zum Standard erklärt. Allein schon, weil er bei langfristiger Betrachtung sehr wirtschaftlich sei. Man sollte allerdings auch den Gewinn an Behaglichkeit und gutem Gewissen und die positive Wertentwicklung berücksichtigen. Viele Zuschriften wiesen auch auf sehr gute private und/oder berufliche Erfahrungen mit dem Standard hin.

Es gibt allerdings einen Haken: Wenngleich nach Erfahrungswerten die Mehrkosten gegenüber dem aktuellen EnEV-Standard meistens deutlich unter 10% liegen, kippen sie oft die Finanzierung, vor allem wenn der Passivhausstandard „nachgelegt“ wird und nicht Grundvoraussetzung war. Viele Bauherren müssen für ihr Eigenheim ihre Kreditwürdigkeit voll ausreizen - steigende Energiekosten werden hingegen oft verdrängt, auch von den Banken. Zudem haben mehrere Energieberater kritisiert, dass Förderprogramme zu starr bestimmte Standards fördern. Dadurch konzentriere sich der Wettbewerb auf den Kaufpreis für die Realisierung entsprechender Energiekennwerte. Nutzt man die Programme allerdings zur Finanzierung geschickt aus, seien sehr kurze Amortisationszeiten möglich. Unterm Strich: Der Passivhausstandard im Neubau ist keine Geldfrage, eher eine Finanzierungsfrage.

Im Bestand: Modernisierung mit Passivhauskomponenten
Ein verbindlicher Passivhausstandard im Bestand ist hingegen eine abwegige Forderung, so die meisten Energieberater. Im Einzelfall sei er durchaus (wirtschaftlich) erreichbar, im Normalfall wird es dies aber oft schwierig. Aber es lassen sich gute Kompromisse finden. Die energetische Modernisierung mit Passivhauskomponenten halten daher viele auch als neuen Standard für möglich und gerechtfertigt, auch in der Erwartung sinkender Preise aufgrund größerer Stückzahlen. Kritisiert wird, dass viele Förderprogramme starre Zielgrenzen haben und Zuschüsse oft nicht auf Erfolgsbasis (z.B. prozentual eingespartes CO2) beantragt werden können. Bei zu vielen Häusern, beispielsweise mit erhaltungspflichtigen Fassaden, sei damit der Zugang zu Fördermitteln erschwert. Infrage gestellt wird auch, ob für eine ordnungsrechtliche „Standardisierung“ überhaupt die Baufachleute so schnell qualifiziert werden können.

Die Namen stören
Passivhaus ist für viele in der Branche allerdings kein neutraler energetischer Standard, man habe „fast das Gefühl, für den Bau eines Passivhauses Lizenzgebühren zahlen zu müssen“. Ein energetischer Zahlenwert scheint zumindest unter Fachleuten einen besseren Klang zu haben. Allerdings sei auch durch einer Überangebot von immer neuen Namen, wie Null- und Plusenergiehaus, bei den Bauherren Verunsicherung zu spüren. So relativiert sich bei mehreren Leserbriefen die Zustimmung am Ende ein wenig: Eigentlich sei man für einen sehr geringen Energiekennwert und nicht für eine Erklärung des Passivhauses zum Standard.

Es ginge auch ohne vorgeschriebenen Energiestandard
Bringt man den Tenor der Leserbriefe und die vielfach kritisierte Praxis zur EnEV „geringe Umsetzung“ sowie „Suche der Baubeteiligten nach Ausnahmetatbeständen“ mit der Theorie der hohen Wirtschaftlichkeit von „Häusern mit geringem Energiekennwert“ zusammen, ergibt sich daraus fast zwangsweise eine neue Bauvorschrift. Die würde nicht vorschreiben, welcher Energiekennwert einzuhalten ist, sondern regeln, für welche Energiekennwerte Gesamtkosten mit normierten Parametern auszuweisen sind. Der Kurvenverlauf „Gesamtkosten über Energiekennwert“ mit einer Kurvenschar für unterschiedliche Energiepreisentwicklungen wirkt dann mehr als tausend Argumente. Mit diesem „Gesamtkostenausweis“ würde sich der Verordnungsgeber auch vollständig dem Diktat des Energieeinsparungsgesetzes nach Wirtschaftlichkeit entledigen und trotzdem für Häuser mit minimalem Heizenergieverbrauch sorgen. Die Mangelhaftung für die Eigenschaft „Gesamtkosten“ würde zudem eine Qualitätsoffensive im Bauprozess auslösen. Es spricht allerdings auch nichts dagegen, das Werkzeug schon heute zur Kundenberatung einzusetzen. GLR

Uns interessiert Ihre Meinung!