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AKTUELLES

HOAI: Keine Begeisterung für BMWi-Entwurf

Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 30. November auf einer Veranstaltung des Ausschusses der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten (AHO) den kürzlich an das Bauministerium übergebenen Diskussionsentwurf für eine HOAI-Novellierung vorgestellt. Der im Spannungsfeld von Brancheninteressen und EU-Forderungen entstandene Diskussionsentwurf gefällt aber weder den Branchenverbänden, noch darf er automatisch mit Brüssels Segen rechnen. Ein zweiter auf der Veranstaltung präsentierter Vorschlag erhielt dagegen nahezu uneingeschränkte Zustimmung. Ob die Euphorie überspringt, bleibt abzuwarten. Denn der Vorschlag erodiert bisher vehement verteidigte Forderungen der Architekten- und Ingenieurorganisationen.

Der Diskussionsentwurf des BMWi
Welche Grundzüge der aktuelle BMWi-Diskussionsentwurf für eine HOAI-Novelle trägt, stellte Hartmut Schauerte, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi, auf der AHO-Veranstaltung vor:

  1. Konzentration auf Planungsleistungen: Herausgenommen werden sollen aus der HOAI alle Beratungsleistungen. Für die betroffenen Berater sei das ein ziemlich einschneidender Vorgang, so Schauerte, aber der Trend in Europa sei eindeutig: Gebührenordnungen sollen nicht ausgeweitet, sondern auf die unverzichtbaren Grundsätze reduziert werden. Obwohl vieles aus nationaler und teilweise auch aus europäischer Sicht dafür spräche, Leistungsbilder wie den Brandschutz aufgrund anderer EU-Leitlinien aufzunehmen. Das Dilemma: Bleiben die anderen Beratungsleistungen drin, muss auch der Brandschutz („unverzichtbar“) rein, das wäre aber wiederum eine nicht gewünschte Erweiterung einer Gebührenordnung.
  2. Reduzierung auf die Leistungsphasen 1 bis 5: Hier sei zwar noch nicht das letzte Wort gefallen, man könne aber sicher sein, dass nicht nur eine Leistungsphase entfallen werde, unterstrich Schauerte. Er spielte damit auch auf die Reaktion der Branche nach dem ersten Bekantwerden am 20. Juni (wir berichteten) an. Sie hatte im Nachgang dafür plädiert, höchstens die ohnehin ungeliebte Leistungsphase 9 entfallen zu lassen.
  3. Absenkung der Tafelendwerte: Die Tafelendwerte sollen deutlich gesenkt werden. Bezogen auf die Objektplanung mit einem aktuellen Tafelendwert von bisher 25 auf 5 Mio. Euro. Das entspräche dann dem Schwellenwert für die europaweite Ausschreibung von Bauleistungen.
  4. Wegfall der Honorarzonen: Statt mehrerer Honorarzonen soll es nur noch eine Zone mit einem Mindest- und einem Höchstsatz geben. Der häufige Anlass für Rechtsstreitigkeiten über die Einordnung von Aufträgen in die Honorarzonen würde so entfallen. Mehr Verhandlungsspielraum für die Vertragsparteien soll die Regelung bringen. Außerdem könne man mit der so genannten Mittenanhebung eine Honorarerhöhung gegenüber der momentanen gängigen Vergabepraxis „Mindestsatz“ weitgehend geräuschlos durchsetzen.
  5. Abkopplung der Honorare von den Baukosten: Dieser Punkt ist bei richtiger Ausgestaltung sofort konsensfähig innerhalb der Branche. Ein Baukostenberechnungsmodell wird seit längerem selbst gefordert, um sich von dem Generalverdacht befreien zu können, dass man sich das Honorar über die Bausumme anheben kann. Zusätzliche Anreize sollen kosten- und energiesparendes Bauen fördern.
  6. Alternative Abrechnung mit Stundensätzen: Wird nach Stundensätzen abgerechnet, dürfen sie die Spannbreite der Mindest- und Höchstsätze nur geringfügig verlassen (ca. 10%). Die Angabe von Stundensätzen soll aus der HOAI entfallen.
  7. Bei der Novellierung der HOAI soll die Ermächtigungsgrundlage unangetastet bleiben: Die HOAI würde somit ohne parlamentarisches Verfahren von der Bundesregierung mit Zustimmung durch den Bundesrat verabschiedet.

Zum Verfahrensstand: Bei dem vorgestellten Diskussionsentwurf handelt es sich nicht um eine Festlegung des Wirtschaftsministeriums, sondern wirklich nur um einen ersten Entwurf, um sich mit dem Bauministerium abzustimmen, so Schauerte. Hatte der im Juni noch Hoffnungen genährt, dass ein HOAI-Referentenentwurf schon Ende 2006 vorliegen könne, kommt er jetzt mit Ende 2007 zu einer etwas realistischeren aber immer noch optimistischen Einschätzung.

Welchen Rahmen gibt Europa vor?

Europäische Gesetze sagen an keiner Stelle, reduziere eine Gebührenordnung auf Planungsleistungen bis maximal zur Ausführungsplanung. Europäische Gesetze schreiben nicht vor, bis zu welchen Bereichen die Gebühren geregelt werden dürfen. Europäische Gesetze sagen auch nicht, dass es keine Honorarzonen geben darf. Zumindest nicht direkt. Sie sagen es aber eventuell indirekt, aus einem Gesamtkontext heraus oder innerhalb eines definierten Ziels, beispielsweise über den EG-Vertrag. Und die EU fordert ganz allgemein Deregulierung. So steckt die Freiheit der nationalen Regelung tatsächlich in einem engen, höchst komplexen und unübersichtlichen Korsett, denn sie müssen überprüfbar „europafest“ sein.

So schreibt beispielsweise die Dienstleistungsrichtlinie vor, dass alle Mitgliedstaaten ihre Gebührenordnungen zu überprüfen haben. Berichte darüber sind der EU-Kommission vorzulegen und werden dort einer Evaluierung unterzogen. Bezüglich der HOAI liegt dem Bundeswirtschaftsministerium bereits ein Schreiben der Generaldirektion Wettbewerb vor: Innerhalb von sechs Monaten habe man über den Reformprozess der HOAI zu berichten. Die Drohung wurde gleich mitgeliefert: Sollte der Bericht nicht überzeugen, könne ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden.

Die Generaldirektion Wettbewerb im Nacken, hat das Bundeswirtschaftsministerium bezüglich der HOAI-Novellierung eine Strategie des guten Willens entwickelt, um Reformbereitschaft trotz Beibehaltung von Mindest- und Höchstsätzen zu belegen: Reduzierung auf das Notwenige, beispielsweise die Konzentration auf die Planungsleistungen. Stutzen der Tafelendwerte auf Aufträge, die im grenzüberschreitenden Verkehr keine Rolle spielen. „Je kleiner der Fall, desto geringer die Gefahr, dass sich die EU-Kommission dafür interessiert.“ Außerdem will man darauf verweisen, dass eine Gesellschaft für einen Reformprozess angemessene Zeiträume benötige. Ob diese Argumentation akzeptiert werde, sei aber offen.

Der Jochem-Vorschlag
Auf der AHO-Veranstaltung hielt das zweite Impulsreferat Prof. Dr. Rudolf Jochem, Rechtsanwalt und Notar. Der AHO hatte ihm die Frage gestellt, ob die HOAI auf gesetzlicher Grundlage einen Widerspruch zum EU-Vertrag darstellt. Dies sei nicht zu leugnen, so Jochem. Die HOAI stehe unter zunehmenden Druck aus Brüssel. Den preisrechtlichen Ansatz wie im BMWi-Entwurf massiv zu reduzieren, sei aber nur eine der Optionen. Insbesondere die Beschränkung auf geistig-schöpferische Leistungen, und damit die Differenzierung von Planungsleistungen in zwei Kategorien und dieses auch nur noch in den Leistungsphasen 1 bis 5, sei hoch problematisch und werde der deutschen Baukultur schaden.

Fallen wichtige preisrechtliche Regelungen mit einer HOAI-Novelle, können auch die Berufsverbände nicht in die Bresche springen. Jochem: Das EU-Kartellrecht verbietet Berufsvereinigungen und Kammern, Gebührenempfehlungen abzugeben. Verboten sei es allerdings nicht, wie im Fall der HOAI, wenn die Regelung durch den Gesetzgeber erlassen wird. „Europäisches Kartellrecht schafft kein Problem für die HOAI.“ Sorgen bereiten indes die Artikel 10 und 49 des EG-Vertrags und das dort verankerte Verbot, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken. Denn preisrechtliche Regelungen grenzen diese Freiheit eventuell ein, insbesondere besteht dieser Makel, wenn Mindest- und Höchstsätze einzuhalten sind.

Jochem schlägt deswegen vor, den Verhandlungsspielraum nicht zwischen zwei Werten (Mindest- und Höchstsatz) festzulegen, sondern einen verbindlichen Honorarsatz vorzugeben, von dem nur in begründeten Fällen abgewichen werden darf. Diese Regelung widerspräche nicht dem EG-Vertrag und erlaube wesentlich weitreichender als der Diskussionsentwurf allgemein erforderliche Leistungen zu definieren und für ihre Honorarbewertung zu sorgen. Mit diesem einfachen Prinzip wäre es dann auch nicht mehr erforderlich, der EU-Kommission Kompensationsgeschäfte innerhalb der HOAI anzubieten.

Zwischen dem BMWi und der Branche herrscht prinzipielle Einigkeit. Die HOAI soll erhalten und zukunftsfest gemacht werden. Eine zusätzliche Anforderung ist, sie europafest zu machen. Bisher hat das BMWi sich von den Branchenforderungen nach Mindest- und Höchstsätzen leiten lassen und dazu für die Branche ebenso abwegige Abstrich an anderer Stelle vorgenommen, um der EU-Kommission Reformbereitschaft zu belegen. Es könnte sein, dass der Jochem-Vorschlag die Branche wachgerüttelt hat. Als erster „Offizieller“ hat sich noch während der Veranstaltung VBI-Präsident Dr.-Ing. Volker Cornelius geäußert: „Vielleicht sollten wir uns überlegen, ob wir uns von den geliebten Mindest- und Höchstsätzen nicht besser verabschieden. Auch vor dem Hintergrund, dass wir, festgeschrieben auf den Mindestsatz, gar nicht mehr davon leben können. Entscheidend ist aber, wo liegt der Satz und wie hoch ist die Regelungsbreite.“ GLR