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AKTUELLES

Kompromiss gefunden, Chance vertan?

Wird das aus dem EnEV-Referentenentwurf bekannt gewordene Optionsrecht für Bedarf/Verbrauch sinnvoll ausgestaltet, kann es den Weg zu einem eindeutigen, rechtssicheren und gleichzeitig kostengünstigen Energieausweis ebenen. Eine herbe Enttäuschung ist allerdings die Beibehaltung des Anforderungsniveaus für Neubauten und Modernisierungen.

EnEV-Referentenentwurf nimmt nächste Etappe
Die offizielle Verlautbarung kam eine Woche vor Ostern, nachdem das „Wahlrecht schon auf einigen Veranstaltungen „durchgesickert“ war. Am 7. April wurde der Referentenentwurf zur Energieeinsparverordnung in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung gegeben. Eigentümer und Vermieter haben danach ein Optionsrecht. Sie dürfen bei Vermietung und Verkauf wählen zwischen dem Energieausweis auf der Grundlage des rechnerischen Energiebedarfs und dem Energieausweis auf der Grundlage des gemessenen Energieverbrauchs. Aus Sicht der Autoren ist dies ein gelungener Kompromiss. Er könnte zu einer optimalen Lösung ausgebaut werden.

Es ist jedoch zu kritisieren, dass gleichzeitig eine große Chance durch die Bundesregierung ungenutzt bleibt: Warum wird das bereits seit der EnEV 2002 gültige Anforderungsniveau für den Neubau und für Änderungen im Bestand bzw. für Nachrüstempfehlungen nicht angehoben? Trotz wesentlich veränderter Rahmenbedingungen hinsichtlich der Energiepreise und der Energiepreissteigerungen seit der Jahrtausendwende?

Hemmnisse überwinden – Transparenz und Ehrlichkeit
Welche Reaktionen hat das Wahlrecht zwischen Bedarfs- und Verbrauchspass ausgelöst? Befürchtet wird [1], dass die Entscheidung der Bundesregierung Transparenz behindert; dass der Aufklärungsaufwand noch höher als erwartet ausfallen wird und dass die Zielsetzungen des Energieausweises – Information zur Auslösung von Modernisierungsschüben bei Wahlfreiheit – verloren gehen könnte. Das muss nicht sein – wenn alle Ausweise nur ein Minimum an Informationen enthalten.

Was soll ein Energieausweis leisten? Er soll sowohl den Eigentümer/Vermieter als auch den Käufer/Mieter einfach und ehrlich über den energetischen Ist-Zustand einer Immobilie informieren. Nach Meinung der Autoren ist dabei die Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie für die Gebäudeenergieeffizienz zu teilen:

  • In einen öffentlich-rechtlichen Teil mit einer einfachen Bedarfsausweisung (rechnerisch mit wenigen Eingaben und/oder anhand von Typologiewerten) und (nicht oder!) einer Ausweisung des gemessenen Verbrauchs, immer wenn Verbrauchswerte auswertbar sind. Ein so aufgebauter Energieausweis ist mit einem Minimum an Eingabekenngrößen eindeutig, rechts- und manipulationssicher und kostengünstig zu erstellen.
  • In einen privat-rechtlichen Teil für eine systematische Energieberatung. Diese soll in der novellierten EnEV ab einer bestimmten Energieeffizienzklasse „dringend“ empfohlen wird.

Kombinierter Bedarfs-/Vergleichswerte-/Verbrauchs-Energieausweis
Was sollte der öffentlich-rechtliche Energieausweis auf Grundlage von Bedarfs- und/oder Vergleichswerten und Verbrauchswerten enthalten? Die Angabe von mindestens zwei, besser jedoch von drei der folgenden Werte:

  • Soweit auswertbare Verbrauchswerte vorliegen – und dies gilt für fast alle Gebäude, die der Heizkostenverordnung (HeizkostenV) unterliegen – sind diese immer mit anzugeben. Es sind witterungsbereinigte Energieverbrauchsdaten aus der Abrechnung von Heizkosten nach der HeizkostenV bzw. von Energielieferanten zu verwenden.
  • Erfolgt die Ausstellung der Energieausweise auf der Grundlage des Energiebedarfs, so ist dieser eindeutig und rechtssicher mit einem Minimum an Eingabedaten zu ermitteln. Beispielsweise nur durch Angabe des auf die beheizte Fläche bezogenen Transmissionswärmeverlusts – zur Bewertung der Gebäudehülle – und durch Angabe der technischen Verluste der Anlagentechnik. Einfach umzusetzende Vorschläge wurden von den Autoren und anderen bereits veröffentlicht [2, 3]. Bedarfswerte für Wohngebäude müssen mit immer anzugebenden Vergleichskennwerten kompatibel (vergleichbar) sein.

Vergleichswerte aus Gebäudetypologien sind ebenfalls immer mit anzugeben. Diese Vergleichskennwerte sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und regelmäßig zu aktualisieren – eine Verpflichtung (EnEV §5 Abs. 3), welcher der Verordnungsgeber (speziell das Bundesbau- und das -wirtschaftsministerium) seit mehr als vier Jahren nicht nachgekommen ist.

Privatrechtliche Energieberatung ist der Auslöser für Modernisierungen
Detaillierte und auf ein Objekt abgestimmte Modernisierungstipps können von einem öffentlich-rechtlichen Energieausweis nicht gegeben werden. Man sollte sich endlich von der Idee verabschieden, dass ein öffentlich-rechtlicher Energieausweis die komplette Energieberatung einschließt. Sollen Empfehlungen für die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz (Modernisierungsempfehlungen) gegeben werden, können diese nur in Form eines allgemeinen Katalogs oder einer einfachen Checkliste kommuniziert werden.

Wie können mit dem öffentlich-rechtlichen Energieausweis nun verstärkt Modernisierungen ausgelöst werden? Hier haben die Forderungen der §8 (Änderungen an Gebäuden) und §9 (Nachrüstverpflichtungen) der EnEV 2002 bereits den Weg geebnet. Diese Verpflichtungen könnten in einer novellierten EnEV durch „dringende Modernisierungsempfehlungen“ erweitert werden. Beispielsweise wird ab Energieeffizienzklasse E oder F „dringend“ empfohlen, eine systematische Energieberatung durchzuführen. Aber: Freiwillig und ohne Zwang – eben als „dringende“ Empfehlung. Mieter und Käufer werden schon reagieren!

Verbindendes Element einer privat-rechtlich vereinbarten Energieberatung könnte der Abgleich von Verbrauchs- und Bedarfswerten sein. Die Autoren haben dafür den Begriff: E-A-V „Energieanalyse aus dem Verbrauch“ geprägt [4].

Warum eigentlich kein höheres EnEV-Anforderungsniveau?
Die unerquicklichen und überflüssigen Diskussionen der letzten Jahre um Form und Inhalte eines Energiepasses haben leider den wichtigsten Gesichtspunkt der EnEV-Novellierung in den Hintergrund gerückt: das Anforderungsniveau.

In den letzten zehn Jahren seit 1995, dem Beginn der Arbeiten zur Energieeinsparverordnung 2002, haben sich die Randbedingungen für das Anforderungsniveau geändert. Die Energiepreise und die mittleren jährlichen Energiepreissteigerungsraten haben sich auch im langjährigen Mittel drastisch erhöht; und ein Ende ist nicht abzusehen. Wirtschaftlichkeitsberechnungen auf Basis heutiger Energiepreise und auf Grundlage der Energiepreissteigerungen der letzten 40 Jahre (7% p.a. für Heizöl, 10% p.a. Rohöl) führen für Neubau und Bestandsänderungen zu einem sehr viel strengerem Anforderungsniveau, wenn man das Wirtschaftlichkeitsgebot des Energieeinspargesetzes als Grenzwert annimmt.

Bereits 2003 haben die Autoren in einem Gutachten für den Senat der Stadt Hamburg nachgewiesen, dass das Anforderungsniveau der EnEV an den Primärenergiebedarf wirtschaftlich auf typisch 70 bis 100 kWh/(m²a) für Heizung und Trinkwarmwasser gesenkt werden könnte.

Warum soll also das Anforderungsniveau weitgehend unverändert bleiben? Warum setzen sich die beteiligten Ministerien, die Herstellerverbände, die Wohnungswirtschaft oder die Mieterschutz- und Verbraucherschutzverbände nicht für höhere Anforderungen in einer novellierten EnEV ein? Hier liegt die eigentliche Aufgabe. Sollte das Gezerre um den Energiepass nur von dieser eigentlich lenkenden Funktion der EnEV ablenken?

Oder vertraut man allein auf den Markt? Dann muss man sich vor Augen führen, dass das Anforderungsniveau allgemein als Zielwert und nicht als Grenzwert angesehen wird. Das mag bedauerlich und auch ein Armutszeugnis für die Branche sein – es ist aber bei der Mehrzahl der Neubauten und der Sanierungen die momentane Realität. Die Verordnung soll nicht die Branche, sondern die Verbraucher schützen. Deswegen muss das Anforderungsniveau dringend verschärft werden, um nicht weiter am wirtschaftlichen Optimum vorbei zu modernisieren oder zu bauen.

Energiepolitik sollte dazu führen, dass sich jeder für den Energieverbrauch und für die Ausschöpfung von Einsparpotenzialen mit verantwortlich fühlt. Doch davon ist ein Großteil der Akteure noch weit entfernt.

Dr.-Ing. (FH) Kati Jagnow, Wernigerode; Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff, FH Wolfenbüttel; www.delta-q.de

Literatur

[1] GEB-Infoletter, Newsletter zur Fachzeitschrift Gebäude-Energieberater. Ausgabe 6-2006, www.geb-info.de
[2] Wolff, Dieter: Vorschlag für einen verbrauchsbasierten Energiepass in Anlehnung an das dena-EID-Bedarfsverfahren – Mit 10 % Aufwand gleicher Nutzen. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA Fachplaner 12-2004
[3] IWU, Kurzverfahren Energieprofil für die einfache energetische Bewertung von Gebäuden. Institut Wohnen und Umwelt. Darmstadt. www.iwu.de
[4] Wolff, Dieter; Jagnow, Kati: Vorschläge zur Umsetzung der EU-Richtlinie Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – E-A-V: Energieanalyse aus dem Verbrauch. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA Fachplaner 9-2004

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