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Merkel streichelt, Hendricks gießt …

… und Asylbewerber werden abgeschoben, die Klimaabgabe für Kohlekraftwerke abgelehnt. Politik ist kompliziert und birgt oft unangenehme Entscheidungen, weshalb ihre Protagonisten gerne schwierige Sachverhalte plakativ und einfach über die Medienwelt in die Öffentlichkeit hinausposaunen. Da ist schnell mal ein Slogan gefunden, wie z. B. jener der CSU: „Moderne Energie für ein modernes Land!“ Aber: Keine Stromtrassen auf bayerischem Territorium – und schon gleich gar kein Atommüll! Kein anderes Bundesland verhält sich derzeit so schizophren, was die Umsetzung der Klimaschutzziele angeht – man erinnere sich: Die dringend nötige energetische Gebäudesanierung sollte durch staatliche Förderung angekurbelt werden, als Gegenfinanzierung war geplant, den sogenannten Handwerkerbonus zu beschneiden. Wer war dagegen? Jo mei, ... höhö ... mia san mia, so is dös eben im Föderalismus, host mi? Deutschland, Europa, die Welt – Parlamente, Regierungen und Kommissionen ringen in nächtelangen Diskussionen von Bali über Nairobi bis Kopenhagen um den Klimaschutz, während im Hintergrund Lobbyisten, Volks- und Standesvertreter längst schon wieder an alten Zöpfen ziehen, um die Nachteile aus möglichen Beschlüssen für ihre Klientel abzuwenden und unangenehme Kompromisse weichzuspülen.

So geht es mit der Energiewende nun schon seit Jahren hin und her, mal vor, mal zurück – und die Zeit für das Erreichen der Ziele wird immer knapper. Noch fünf Jahre bis 2020, noch 35 Jahre bis 2050 – wie wollen wir es bei diesem Schneckentempo denn schaffen, den Anteil erneuerbarer Energien auf 80 % zu steigern und die Treibhausgase um 80 bis 95 % zu senken? So schön das Foto mit der Gießkanne als Symbol für den Klimaschutz auch sein mag, für das sich Barbara Hendricks am Bauzaun vorm Berliner Stadtschloss ablichten ließ – Klimahelden sehen anders aus und kommen nicht mit der Gießkanne daher!

Im Gegenteil – das Gießkannenprinzip hat längst ausgedient und taugt nicht für eine Energiewende mit so klar formulierten Zielen, die so lange unerreichbar bleiben, wie wir uns selbst wegen mangelnder Courage ausbremsen. Ohne Konzept wird die Energiewende in eine immer enger werdende Sackgasse führen, in der das Wenden bald nur noch mit erheblichen politischen Blechschäden funktioniert – wenn überhaupt.

Dass viel mehr geht als man zunächst denkt, zeigen die bisherigen politischen Erfolge und die praktische Arbeit „am lebenden Objekt“ – ungewollt vorangetrieben durch Katastrophen wie Fukushima, steigende Energiepreise und den oft harten Wettbewerb. Und würde man das Ozonloch sehen und die CO2-Emissionen spüren können: wir wären schon viel weiter. So begnügen wir uns mit ungedämmten Gebäuden, obwohl wir eigentlich nur noch intelligent auswählen, beherzt zugreifen und mit Weitblick bezahlen müssen: Gebäudekonzepte gibt es vom Passivhaus übers Sonnenhaus bis hin zum Nullenergiehaus zuhauf. Hersteller präsentieren uns auf Messen und in Showrooms „innovative“ Produkte und Systeme. Architekten, Ingenieure und Energieberater entwickeln maßgeschneiderte Konzepte für Neubauten und Sanierungen. Der Bund, die Länder sowie die Städte und Gemeinden schnüren im Rahmen ihrer Möglichkeiten große und kleine Förderpakete.

Ergo: Es gibt genug Ansätze, Lösungen und Anreize für uns wohlhabende Bewohner von Industriestaaten, um die wichtigste Voraussetzung für die Energiewende und den Klimaschutz zu schaffen: die Reduktion des Energiehungers durch effiziente Gebäude und Techniken, wie sie in diesem Heft wieder eingängig beschrieben und appetitanregend gezeigt werden.

Ihr Klaus Siegele