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Studien

“Große Unwucht bei Energiepreisen“

Die staatlich regulierten Aufschläge auf Energiepreise variieren in Deutschland je nach Energieträger sehr deutlich. Die Steuern, Abgaben, Entgelte und Umlagen betragen bei Heizöl 0,6 Ct/kWh, bei Erdgas 2,2 Ct/kWh, bei Diesel 4,7 Ct/KWh, bei Benzin 7,3 Ct/kWh und bei Strom 18,7 Ct/kWh.

Während Strom durch den stetig steigenden Anteil erneuerbarer Energien immer sauberer wird, wird er durch den Anstieg von Abgaben und Umlagen immer teurer. Die fossilen Energieträger, wie Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas, bleiben hingegen klimaschädlich – und günstig.

„Aktuell wird klimaschädliches Verhalten belohnt“

„Diese Unwucht ist unbeabsichtigt im Laufe der letzten 15 Jahre entstanden, kann aber so nicht bleiben. Denn sie bestraft klimafreundlichen Energieverbrauch und belohnt klimaschädliches Verhalten“, kritisiert Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „In einem Land, das sich eine kosteneffiziente Energiewende auf die Fahnen geschrieben hat, muss es natürlich genau andersherum sein: Die Preise sollten klimaschädlichen CO2-Verbrauch belasten. Das System der Abgaben und Umlagen auf Energiepreise muss daher dringend vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Für die nächste Bundesregierung wird das eine zentrale Aufgabe im Klimaschutz.“

Studie legt Lösungsansätze für Reform vor

In einer Grundlagenstudie hat Agora Energiewende das gegenwärtige System von Abgaben und Umlagen auf Energiepreise detailliert untersuchen lassen und basierend darauf eine Übersicht über die Lösungsansätze vorgelegt, mit denen die Erhebung der Aufschläge so reformiert werden kann, dass sie nicht gegen, sondern für mehr Klimaschutz wirken.

Graichen: „Das ist auch Voraussetzung für die Sektorkopplung, also das Zusammenwachsen der Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr. Wenn die Abgaben und Umlagen auf Strom, Wärme und Verkehr dauerhaft so falsch justiert bleiben, dann kann die umfassende Energiewende nicht gelingen.“

Abgaben an Klimaschädlichkeit koppeln

Zu den Lösungsansätzen gehört unter anderem, einen Teil der EEG-Umlage vom Strompreis in den Bundeshaushalt oder in einen Fonds zu verlagern. Dabei geht es etwa darum, die Stromverbraucher von den Kosten für die Technologieentwicklung der Photovoltaik und der Offshore-Windkraft oder der EEG-Ausnahmen für die Industrie zu entlasten.

Eine weitere Option besteht darin, Abgaben auf Heizöl, Erdgas und Kraftstoffe künftig entsprechend der Klimaschädlichkeit dieser Energieträger zu erheben. So sind Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin in Deutschland billiger als im europäischen Mittel – und heute deutlich günstiger als vor fünf Jahren. „Während bei Strom in den vergangenen Jahren die Energiewende über EEG-Umlage, KWK-Umlage und steigende Netzentgelte finanziert wurde, sind bei Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel die Effekte der Ökosteuer-Reform von Anfang des Jahrtausends inzwischen vollständig verpufft“, sagt Graichen.

Ausgleich von Stromangebot und - nachfrage wird erschwert

Das System der Abgaben und Umlagen behandelt nicht nur die unterschiedlichen Energieträger extrem unterschiedlich, es erschwert speziell im Stromsystem auch noch den bestmöglichen Ausgleich von Angebot und Nachfrage: Weil die Summe von Abgaben und Umlagen auf den Strompreis der Verbraucher die Großhandelspreise an der Strombörse bei weitem übertreffen, gibt es für Verbraucher keinen Anreiz, in Zeiten von sehr niedrigen oder sogar negativen Strompreisen die Stromnachfrage zu erhöhen.

Graichen: „Genau das ist in einem Stromsystem mit viel Wind- und Solarstrom jedoch nötig. Flexible Verbraucher sollten auf schwankende Strombörsenpreise reagieren können.“ Ein Lösungsansatz besteht darin, die Höhe der Abgaben und Umlagen mit den Börsenstrompreisen zu variieren, damit die Preissignale deutlicher bei den Stromverbrauchern ankommen. Alternativ könnten – etwa für die Netznutzung – Grundpreise eingeführt beziehungsweise gestärkt werden.

Umgestaltung ist eine komplexe Aufgabe

„Die Studie zeigt, dass die Umgestaltung des Systems von Abgaben und Umlagen auf die Energiepreise eine komplexe Aufgabe ist. Sie hat das Potenzial zur nächsten Großbaustelle in der Energiewende“, sagt Graichen. „Wir müssen diese Herausforderungen aber anpacken, weil die Unwucht sonst so groß werden kann, dass an einen klimafreundlichen Umbau des Energiesystems nicht mehr zu denken ist.“

Die Grundlagenstudie wurde von Agora Energiewende gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen E-Bridge, dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der TU Clausthal erarbeitet. Zum Download: www.agora-energiewende.de/de/publikationen GLR