Springe zum Hauptinhalt Springe zum Hauptmenü Springe zur SiteSearch

CO2 braucht einen Preis

In einem gemeinsamen Statement fordern eaD, AEE, DEN, GIH, NABU, FÖS, ING BW und BUND BW die künftige Bundesregierung auf, das Erreichen der Klimaschutzziele von Paris in den Mittelpunkt ihrer Energiepolitik zu stellen und eine effektive CO2-Abgabe einzuführen:

„Warum Energiewende und Klimaschutz neue ökonomische Anreize brauchen

Die Energiewende steckt in Deutschland in einer entscheidenden Phase. Während Deutschland einerseits das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert hat, werden gerade die Klimaziele für 2020 in Frage gestellt. Mit den bisherigen Anstrengungen wird aber eine Wende hin zu einer Energieversorgung allein aus Erneuerbaren Energien nicht gelingen.

Beim aktuellen Preisniveau für fossile Energien (z.B. derzeit bei rund 70 Dollar pro Barrel Rohöl und damit weit niedriger als noch vor fünf Jahren) fehlen ökonomische Anreize, den CO2-Ausstoß zu verringern. Dadurch lassen sich an vielen Stellen Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien wirtschaftlich nur noch schwer oder gar nicht darstellen. Dies betrifft die Gebäudemodernisierung ebenso wie Effizienz-Investitionen in Unternehmen. Förderungen, die beispielsweise von der KfW Bankengruppe in beachtlicher Höhe ausgereicht werden, laufen aufgrund des zu niedrigen Preisniveaus vielfach ins Leere. Auch verursachen sie einen erheblichen administrativen Aufwand. Erschwerend kommt hinzu, dass das europäische Emissionshandelssystem (ETS) nicht so wirkt, wie dessen Erfinder sich dies vorgestellt haben. Das Preissignal von derzeit rund 8 Euro pro Tonne CO2 entfaltet bei weitem keine ausreichende Wirkung. Der Projektionsbericht 2015 des Bundesumweltministeriums bestätigt, dass das ETS nur sehr wenig zur Minderung von Treibhausgasen beiträgt. Gleichzeitig macht das UNEP im aktuellen „emission gap report“ deutlich, dass das Zeitfenster für das Erreichen des in Paris vereinbarten Zwei-Grad-Ziels zunehmend eng wird.

Wichtige Fürsprecher einer CO2-Abgabe aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft (u.a. Dena, Agora Energiewende, ZSW, Ökoinstitut, Verein CO2-Abgabe, Bündnis von 52 Unternehmen von eon über Siemens und Aldi bis zur GLS Bank und Ritter Sport) fordern daher die Einführung einer CO2-Bepreisung und werden durch aktuelle Studien darin unterstützt. Sie zeigen, dass mit diesem Instrument signifikante Minderungseffekte erzielt werden können. So schreibt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2017/18 an die Bundeskanzlerin: „Um die Treibhausgasemissionen effektiv zu senken, sollte ein einheitlicher CO2-Preis die Sektoren Strom, Verkehr und Wärme gleichermaßen zur Emissionsvermeidung heranziehen.“

Bisher scheint in den Verhandlungen zur Bildung einer Großen Regierungskoalition der Klimaschutz eine nachrangige Rolle zu spielen. Die Chancen einer dekarbonisierten Wirtschaft werden offenbar nicht wahrgenommen, obwohl u.a. auch das Bundeswirtschaftsministerium wiederholt im Monitoring zur Energiewende die positiven Effekte der Investitionen in Erneuerbare und Energieeffizienz herausgestellt hat, sowohl mit Blick auf die Wachstumsimpulse als auch auf Innovationen. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat kürzlich auf die volkswirtschaftlich positiven Effekte von Investitionen in den Klimaschutz in einer vom ihm beauftragten Studie deutlich hingewiesen.

Es müssen einzelne Staaten entschlossen vorangehen, wenn das berechtigte Ziel einer europäischen oder gar globalen Lösung erreicht werden soll. Sei es zunächst national und in einem weiteren Schritt auch bi- und multinational. Deutschland als stärkste Volkswirtschaft Europas sollte hier ein wichtiger Treiber sein, auch im Zusammenspiel mit den europäischen Nachbarstaaten wie beispielsweise Frankreich oder den Niederlanden.

Die Unterzeichner fordern die künftige Bundesregierung daher auf, die Erreichung der Klimaschutzziele von Paris in den Mittelpunkt ihrer Energiepolitik zu stellen und eine effektive CO2-Abgabe einzuführen.

Dabei geht es nicht nur um die Erreichung der selbst gesetzten 2020-Ziele. Langfristig geht es darum, die erforderliche Dekarbonisierung/Defossilisierung unserer Gesellschaft aktiv zu gestalten. Dies darf nicht weiter mit kleinteiligen Regelungen und einer immer undurchsichtigeren Flut an Einzellösungen erfolgen, sondern muss auf ein zentrales Ziel fokussieren: Der Ausstoß von CO2 aus fossilen Energien muss drastisch gesenkt werden und braucht daher einen Preis. Dieser Preis wäre als eine „Müllgebühr für die Nutzung der bisher kostenfreien Deponie Atmosphäre“ zu verstehen. Deren begrenztes Aufnahmevermögen für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels ist bekannt. Daher muss der Preis für CO2 kurzfristig eine lenkende Wirkung entfalten und langfristig für Bürger und Unternehmen planbar steigen. So haben sich beispielsweise 50 Euro im Förderprogramm Klimaschutz Plus des Landes Baden-Württemberg im Laufe von mittlerweile 15 Jahren als sinnvolle Untergrenze bewährt und wären auch als Startrichtwert bundesweit vorstellbar. Auch die Stadt Frankfurt handhabt dies bei eigenen Bauvorhaben seit vielen Jahren ähnlich. Im Nachbarland Schweiz ist die 2008 eingeführte CO2-Abgabe zum 1.1.2018 um 12 Franken auf 96 Franken (82,82 Euro) je Tonne CO2-Äquivalent mit der Perspektive einer sukzessiven Steigerung auf bis zu 210 Franken pro Tonne in 2030 erhöht worden. Nachdem die sich mittelfristig einstellenden Klimaschäden laut UBA bei im Mittel 145 Euro pro Tonne liegen, ist daher ein möglicher Endpreis dem Schadenspotential anzugleichen. Es muss günstiger werden, Klimaschäden zu vermeiden als sie zu verursachen.

Die Wirkung des Instruments einer CO2-Bepreisung muss dabei von unterstützenden Angeboten für Energieeffizienzmaßnahmen und einem sinnvollen Umbau des Energiesystems begleitet werden. Gleichzeitig dürfen wir die sozialverträgliche Umsetzung nicht aus dem Blick verlieren. Das heißt auch, dass das Steuern- und Abgabensystem entsprechend umgestaltet und weiterentwickelt werden muss. Zwar zeigen diverse Studien, dass den Bürgern die finanzielle Belastung durch die Energiewende bewusst ist und auch akzeptiert wird, diese Akzeptanz hängt aber unmittelbar damit zusammen, ob die Kosten fair verteilt und transparent dargestellt sind.

Durch die Einnahmen aus der CO2-Abgabe könnten einerseits Abgaben auf Strom entfallen oder zumindest gesenkt werden und andererseits gezielt Energieeffizienzinvestitionen gefördert werden. Eine Rückführung der Einnahmen nach Schweizer Vorbild beispielsweise in Form einer Minderung der Steuerschuld aller Bürger ist ebenfalls vorstellbar. Zusätzliche Belastungen einkommensschwacher Bevölkerungsschichten sollten in jedem Fall vermieden werden.

Die Wirtschaftskraft für die CO2-Abgabe ist vorhanden. Die vor wenigen Jahren geltenden höheren Preise fossiler Energieträger haben das deutsche Wirtschaftswachstum nicht gebremst, es führte lediglich zu einem Geldabfluss in die Förderländer von Öl, Gas und anderen Rohstoffen. Daher hat die künftige Bundesregierung nun die Chance, Kapital umzulenken in Investitionen für mehr Energieeffizienz, Investitionen, die für die Dekarbonisierung sowieso erforderlich sind.

Daher appellieren wir an die Verhandlungsführer für die Große Koalition:

Führen Sie eine wirksame CO2-Abgabe ein. Die Akzeptanz der Energiewende bei der Bevölkerung wird zunehmen und Deutschland damit in die Lage versetzt, seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen.

Weitere Mitunterzeichner:
Prof. Eicke R. Weber, Chief Executive Officer and Director, BEARS (Berkeley Education Alliance for Research in Singapore), Vice-President, International Solar Energy Society ISES”

Aussagen einiger Protagonisten sind unter www.energieagenturen.de zusammengestellt.

 

 

Tags