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Thermografie in der Photovoltaik

Mit dem Auge der Schlange

Einige Schlangen aus der Familie der Vipern und der Pythons können durch dünne sensorische Membranen Infrarot sehen und kleinste Temperaturunterschiede wahrnehmen. Solange wir Menschen das nicht können, machen wir uns diese „Technik“ mithilfe der Thermografiekamera zunutze. Denn so wird z.B. auch die Funktionsfähigkeit von PV-Modulen sichtbar.

Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser!

Damit die einwandfreie Funktion einer PV-Anlage gewährleistet werden kann, müssen Feuchte-Wärme-Prüfung, Temperaturwechselprüfung, Feuchte-Frost-Prüfung, UV-Prüfung, Isolationsprüfung, Kriechstromprüfung unter Benässung und mechanische Belastungsprüfung vorangegangen sein. Die wird teilweise bereits Produktionsprozess-begleitend getan. Schon im verbauten Zustand während und nach der Montage kann die Defektsuche nach Anomalien beginnen. Korrekte thermografische Abbildungen von Photovoltaik-Zellen offenbaren schnell und zielgerichtet z. B. Shunt Effekte und Asymmetrien nur durch Beobachtung der Temperatur der Zelle unter typischen Betriebsbedingungen. Kurzschlüsse, fehlerhafte Kontaktierung und Kriechstromeffekte lassen sich durch thermische Veränderung diagnostizieren. Thermogramme machen Auffälligkeiten durch Verunreinigungen (Shunts) schnell sichtbar. Isolationsfehler, Kontaktüberhitzung und Diffusionsschäden können mittels der Wärmebildtechnik lokalisiert, dargestellt und näher analysiert werden. Stringfehler und Auslastungsdifferenzen können unter Last exzellent detektiert werden. Fehlerhafte Module und thermische Inhomogenität einzelner Zellen lassen sich bestimmen und für eine Problemanalyse lokal beschreiben.

Der Effekt des sogenannte Shunt-Widerstand bzw. Nebenschlusswiderstand ist aufgrund der thermischen Diffusion, die Ausbreitung von thermischer Energie im Laufe der Zeit, sowie die schwache Wärmestrahlung des Mangels selbst, nur schlecht sichtbar und dessen Ursache schwierig. Man empfiehlt deshalb Wärmebildkameras mit niedrigem NETD und hoher geometrischer Auflösung.

Prüfungsmethoden

Eine Variation in der konventionellen Thermografie, den thermischen Übergang kontrastreicher darzustellen und etwaige Anomalien temperaturseitig abzugrenzen, ist eine Wärmelampe in Verbindung mit der Wärmebildkamera. Mit einem künstlichen zusätzlich generierten Wärmeeintrag, kann unter Umständen die thermische Abgrenzung von Cracks oder Verunreinigungen etc. durch die unterschiedliche und unterbrochene Wärmeleitfähigkeit sichtbar gemacht werden.

Eine weitere, jedoch komplexere Stufe in der quantitativen Wärmebildtechnik sind die Lock-in-Thermografie-Systeme. Ziel ist die Minimierung von thermischer Diffusion, durch die Verwendung gepulster oder sinusförmiger modulierter Laser- bzw. Mikrowelle-basierender Anregungsquellen – wobei diese Aktiv-Thermografie sich alternativ von der Stimula­tion über Xenon- oder Halogen-Blitzlampe bedient.

Lock-in-Thermographie (LIT) ist in der portablen Nachprüfung keine kommerzielle Lösung und unflexibel. Jedoch werden den Ansprüchen in Sachen Analytik von PV- und CV-Zellen sowie der Bewertung von auftretenden Fehlern nahezu keinerlei Grenzen gesetzt. Im gleichen Maße verhält sich dies leider auch mit dem Ansteigen der Interpretationsmöglichkeiten. Derartige Untersuchungsmethoden sind starr und unflexibel, prädestiniert für die Massenuntersuchungen und daher vorwiegend stationär eingerichtet.

Fehlerbestimmung an PV-Anlagen

Um Produkt-, Planungs- und Ausführfehler weitgehend auszuschließen, bedient man sich der Wärmebildtechnik, mittels fortgeschrittener Infrarot-Thermokameras. Hierbei verlässt man sich auf die Sichtbarmachung thermischer Anomalien, angeregt durch Widerstandunterschiede, welche im ordentlichen Zustand temperaturseitig nur kaum in den Vordergrund treten sollten. Natürlich basiert eine akkurate Bestimmung von thermischen Auffälligkeiten auf den diagnostischen Fähigkeiten des Sachverständigen und nicht zuletzt auf dem Qualitätsniveau und der Spezifikationen des verwendeten Messmittels.

Inzwischen gibt es exzellente Weiterbildungsmaßnahmen unterschiedlicher Schulungsträger, welche sach- und fachkundliche Grundlagen, sowie Tiefenwissen über die Planung und Funktion moderner Photovoltaiken Auskunft geben (siehe GEB 9/11). Nicht nur die zielorientierte Thermografieschulung, mit absolut sicheren Kenntnissen über strahlungsphysikalische Zusammenhänge in der Infrarotmesstechnik, sind maßgebende Voraussetzung für eine fachkundige Bewertung, sondern auch das Wissen um die Komplexität in der Photovoltaik selbst.

Störung- / Ausfall von Wechselrichtern

Häufigste Störungsursache bei einer Photovoltaikanlage ist der Ausfall von Wechselrichtern. Wechselrichter reagieren sensibel auf überzogene Umwelteinflüsse wie Temperatur, Luftverunreinigung und Feuchte. Auch Netzschwankungen von außerhalb der Photovoltaikanlage können zu technischen Problemen und Ausfällen, dieser Verschleiß-orientierten Geräte führen. Dimensionierungsfehler geben oftmals Grund zur Klage. Das adäquate Ein- und Abregeln je nach Generatorleistung sollte witterungsgemäß ordentlich funktionieren, ohne dass Versorgungslücken bei Teil- bzw. Volleinspeisung entstehen.

Leistungsdifferenzen an Strings mit identischer Generatorenanzahl

Die unverschattete Beaufschlagung einzelner Strings, sollte bei symmetrischer Auslastung wenig Auffälligkeiten zeigen, weder in der Energieausbeute noch was thermische Anomalien betrifft. Kontaktierungs- und Anschlussfehler einzelner Module sind ein häufiges Fehlerbild, welche mittels Infrarot-Thermografie schnell und unkompliziert festgestellt werden können.

Leistungsverlauf von Generatoren über die Betriebszeit

Die Degradation von Modulen in Form des schwindenden Wirkungsgrades im Laufe der Lebensdauer ist ein normales Phänomen und wird nach Art der Generatoren von den Herstellern unterschiedlich lang garantiert. Unterschiede zu unverbrauchten Neu-Modulen und verunreinigten Generatoren werden mit Wärmebildtechnik sichtbar.

Materialbruch an Modulen

Brüche, meist am Schutzglas von Modulen, entstehen vor allem während und nach Montage. Verspannen sich die Generatoren der Photovoltaikanlage durch unzureichend bemessene Dehnungsräume und Fixierungsfehler, unter Nichtbeachtung der Montageanleitung, kann es im worst-case zum Bruch kommen. Rahmen und/oder Unterkonstruktion von Generatoren sollten sich unter thermischem Einfluss dehnen dürfen. Natürlich kann einer Havarie durch Unwetter, durch angemessene kinetische Auslegung weitgehend vorgebeugt werden. Gegen andere Szenarien und Vandalismus ist kaum wirksamer Schutz geboten. Auch derartige Fehler, sofern diese das Penetrieren von Feuchte, Kurzschluss oder Cracks auf einzelnen Zellen zur Folge hatten – bleiben einer geeigneten Thermografiekamera nicht unerkannt.

Schadhafte Solarzellen und Substrings auf einem Generator-Modul

Überhitzte Stellen auf einem in Reihe geschalteten Modul zeigen sich, oft aufgrund von Abschattungen hervorgerufen, als Hotspots wieder. Sogenannte Bypässe verringern diese Effekte zwar, heben sie jedoch nicht gänzlich auf. Hotspots können derart überhitzen, dass etwaige Schädigungen als Materialverfärbung mit bloßem Auge sichtbar werden können. Über die Wärmeleitfähigkeit des Schutzglases nach außen getragen, kann schon geringste Wärmeemission in Form der elektromagnetischen Strahlung von einer qualitativen Thermografiekamera auf der Generatoroberfläche lokal detektiert werden. Radiometrische Wärmebildkameras, ergo messende IR-Systeme, sind in der Lage, Temperaturen zu bestimmen. Diese quantitativen Thermokameras erlauben neben Feststellung von Temperaturunterschieden auch das Messen von Absoluttemperaturen. Innerhalb eines Moduls unterscheidet man weiter zwischen Defekten, wie schadhafte Einzelzellen und Sub-Strings. In allen Fällen wirkt sich der Ohmsche Widerstand als lokale Überhitzung aus. Dies kann die gänzliche Zerstörung der Zelle bzw. eines Moduls bedeuten. In beinahe allen Fällen lassen sich Position und Auswirkung solcher Defekte mit einer geeigneten Wärmebildkamera ausmachen.

Effektivität und Ausbeuteverluste

Den Wirkungsgrad einer Photovoltaik bestimmt der Quotient aus in einem gegebenen Zeitintervall entnommener elektrischer Energie und der eingestrahlten Lichtenergie. Dies gilt für

  • eine oder mehrere Solarzellen
  • das komplette Solarmodul oder
  • eine ganzheitliche PV- Anlage einschließlich aller Komponenten und Speichermedien

Moderne Solarzellen in Photovoltaiksystemen erreichen Wirkungsgrade von bis zu 40 %. Organische Solarzellen erreichen 8 bis 13 %, etwa so wie Dünnschichtmodule (a-Si), polykristalline bis 18 % und monokristalline bis zu 25 %. Einfluss auf den Wirkungsgrad und die Ausbeute, den Performance Ratio und Systemwirkungsgrad nehmen insbesondere neben den verwendeten Modul-Charakteren sprich den Materialien, der Effizienz nachgeschalteter Wechselrichter sowie Speichermedien, auch die Absorptionsfähigkeit der Moduloberflächen, die hinreichende Hinterlüftung und Verschattungsfreiheit der Module sowie der Verschmutzungsgrad der Anlage.

Auf den Oberflächen von PV-Anlagen können sich je nach lokalen Verhältnissen unterschiedliche Verunreinigungen ablegen. Hierzu zählen Blätter und Nadeln, klebrige organische Sekrete von Läusen, Pollen und Samen, Ruß aus Heizungen und Motoren, Staub und organische Substanzen aus z.B. Stallabluftsystemen, Futtermittelstäube (Landwirtschaft), Flechten, Algen und Moosen, Vogelkot, Industrieabgase und Schwebestoffe.

Ertragsverluste sind hier bis zu einem Drittel der Gesamtleistung einer PV-Anlage möglich. Im bundesdeutschen Durchschnitt geht man von schmutzbedingten Ertragsverlusten von ca. 10 % aus. Wenn ergo nicht regelmäßig mit entsalztem demineralisiertem Wasser (vermeidet etwaige Kalkflecken) gereinigt wird, sind Ertragsverluste durch die sich ergebende Dämpfung der Eintrittsstrahlung, Temperaturerhöhung durch gesteigerte Absorptionseffekte vorprogrammiert. Die radiometrische Wärmebildtechnik ist hier ein exklusives Instrumentarium, um derartige Insuffizienzen zu lokalisieren und teils quantitativ zu bestimmen.

Fazit

Die Wärmebildtechnik ist weder aus der Ausführungsüberwachung, Abnahme, Revision, Verschmutzungs- und Zustandsbewertung wegzudenken. Selbst in der vorbeugenden Instandhaltung von Photovoltaikanlagen ist die Infrarot-Thermogrammetrie eine etablierte Instanz. Als verlässliches Messinstrumentarium in den Händen von Spezialisten, ist eine radiometrische Wärmebildkamera das Werkzeug mit dem höchsten Diagnostikpotenzial – nicht erst nur im Schadensfalle.

AUTOR

Bernd Schindel (CEO) arbeitet bei ebs ATuS GmbH – NEC Infrarot Systeme und ist Sachverständigen Gutachter für Bau- & Elektrothermografie (Stufe II) sowie TÜV-geprüfter Photovoltaik-Spezialist.

info@NEC-Avio.de

http://www.NEC-Avio.de