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Ecodesign-Software: Frühzeitige Energieeffizienzplanung

Form follows energy

Etwa 80 Prozent aller die Energieeffizienz eines Gebäudes prägenden Entscheidungen treffen Architekten in den ersten 20 Prozent ihrer planerischen Tätigkeit. Wurde in den Architekten-Leistungsphasen I bis III (Grundlagenermittlung bis Entwurfsplanung) bisher hauptsächlich die Form, Funktion und städtebauliche Einbindung von Gebäuden berücksichtigt, spielen angesichts steigender Energiepreise und der daraus resultierenden Diskussion um Energieeffizienz und Ressourcenschonung zunehmend auch energetische Aspekte eine entwurfsbestimmende Rolle.

Bereits bei der Wahl des Bauplatzes, der Gebäudeausrichtung und der Gebäudeform werden entscheidende Weichen gestellt. Zu den weiteren Faktoren zählen eine günstige Gebäudezonierung und Raumanordnung, eine sinnvolle Fensterausrichtung und -größe, die Vermeidung konstruktiver Wärmebrücken oder die Wahl energiesparender Dämm- und Heizsysteme. Diese und weitere Faktoren und Zusammenhänge sind zwar schon lange bekannt und flossen und fließen auch mehr oder weniger intensiv in die Planung ein – man denke etwa an die Architektur alter Bergbauernhäuser. Welche quantitativen Auswirkungen auf die Energiebilanz eine kompaktere Gebäudeform, eine bessere Wärmedämmung oder moderne Heizsysteme haben, ließ sich bisher jedoch nur mit viel Zeit- und Rechenaufwand ermitteln. Neue Softwarewerkzeuge ermöglichen eine in den Entwurfsprozess integrierte „Echtzeit-Analyse“ der Energiedaten eines Bauvorhabens und eine quantitativ nachvollziehbare energetische Optimierung von Gebäudeentwürfen.

So werden Entwürfe energetisch optimiert

Schon bei kleinen Änderungen der Gebäudeausrichtung und der Gebäude- und Dachform, von Fenstern oder des Wandaufbaus kann der Planer nicht mehr ohne Weiteres abschätzen, was das energetisch bedeutet. Erst wenn das Gebäude am Ende der Planungsphase vom Fachingenieur im Detail durchgerechnet wird, treten gegebenenfalls Mängel auf. Dann ist es aber oft zu spät, denn sobald der Entwurf „steht“, sind Korrekturen relativ aufwendig. Mithilfe von Programmen zur Optimierung der Energie-Performance von Gebäudeentwürfen lassen sich Energiekennzahlen sehr schnell überschlägig berechnen und visualisieren: Dazu muss das im Rahmen des Entwurfs generierte 3D-Gebäudemodell zunächst Schritt für Schritt durch energetisch relevante Informationen ergänzt werden. Dazu zählen Angaben zur Lage (Klimadaten) und Funktion des Gebäudes, zur Gebäudestruktur, den Bauteilen (U-Werte) sowie den HKLSE-Komponenten.

Anschließend kann die Berechnung per Mausklick gestartet werden, meist ohne in eine andere Software-Umgebung wechseln oder Daten in ein anderes Programm importieren zu müssen. Die Ergebnisse werden in Form einer Energiebilanz-Schätzung ausgegeben, welche Diagramme und überschlägige Werte zum Energieverbrauch, zur monatlichen Energiebilanz oder zum CO2-Ausstoß enthält. Für jede Entwurfsvariante kann dieser Energiebilanz-„Steckbrief“ als PDF-Dokument separat ausgedruckt und miteinander verglichen werden. Dadurch kann man dem Bauherren anschaulich vermitteln, wie sich die Energiekennzahlen ändern, wenn etwa anstelle einer Leicht-, eine Massivbauweise oder eine stärkere Dämmung gewählt, die Fensterfläche auf der Nordseite verkleinert und auf der Südseite vergrößert oder anstelle einer Öl- oder Gas- eine Wärmepumpenheizung zum Einsatz kommt. Im Wechselspiel zwischen Entwurf und Analyse und per Variantenvergleich kann der Planer, eventuell gemeinsam mit dem Bauherrn, das Entwurfskonzept optimieren. Zwar gibt es spezielle Expertenprogramme für die Gebäudesimulation, die auch energetische Aspekte berücksichtigen, schon seit geraumer Zeit (z.B.: SMILE, TAS, TRNSYS etc.). Die Eingabe und Verknüpfung aller relevanten Gebäude-, Anlagen- und Umweltdaten ist jedoch relativ komplex und die Ergebnisse sind so umfangreich, dass sie von Experten analysiert und anschließend interpretiert werden müssen. Meist geschieht das durch den Software-Hersteller oder externe Ingenieurbüros, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben. Die Komplexität und (auch räumliche) Trennung von Entwurf und Berechnung haben dazu geführt, dass energetische Gebäudesimulationen für die Entwurfs­analyse einfacher Gebäude eher selten – häufiger für räumlich oder anlagentechnisch komplexe, öffentliche Bauvorhaben zur Überprüfung der Planung eingesetzt werden.

BIM und Integration als Voraussetzung

Der bisherige Mangel an geeigneten Planungswerkzeugen und -strukturen ist sicher einer der Gründe, weshalb die Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit im frühen Planungsstadium nicht die Rolle spielen, die sie angesichts immer knapperer Energie- und Rohstoffressourcen und des Klimawandels eigentlich spielen müssten. Eine neue Software-Generation könnte den Durchbruch schaffen: Programme wie der EcoDesigner, Ecotect Analysis oder der Design Performance Viewer lassen sich relativ einfach und intuitiv auch von Planern bedienen, die nicht über das komplette Spezialwissen eines Bauphysikers, Gebäude-Energieberaters oder TGA-Fachingenieurs verfügen. Entscheidend ist aber, das Ecodesign-Software Planungsprozesse zusammenführt, die zusammengehören. Eine Optimierung von Gebäudeentwürfen ist nur dann sinnvoll möglich, wenn der Energiebilanz-Rechner möglichst in die vom Planer genutzte CAD-Software als Add-On oder Plug-in integriert ist.

Nur dann können vom Planer ohnehin eingegebene Gebäudedaten gleichzeitig für die Energieoptimierung genutzt werden. Andernfalls ist ein Datenexport erforderlich, beispielsweise über die neu geschaffene Green Building XML-Schnittstelle (gbXML). Sie bietet die Möglichkeit, Gebäudehüllflächen sowie deren Volumina in andere Anwendungen einzulesen, um damit Berechnungen und Analysen durchzuführen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Architekt auf der Grundlage eines digitalen, dreidimensionalen Gebäudemodells plant. Bisher arbeiten viele Büros jedoch zweidimensional und nutzen den PC lediglich als „digitales Zeichenbrett“. Die vom CAD-Marktführer Autodesk geprägte Gebäudedaten-Modellierung (Building Information Modeling, kurz: BIM), die für eine durchgängige Integration planungs-, ausführungs- und nutzungsrelevanter Gebäudedaten in einem zentralen Gebäudedaten-Modell steht, setzt jedoch eine zunehmende Anzahl von Architektur- und Ingenieurbüros ein. Das dürfte dazu führen, dass auch für den Betrieb von Gebäuden so wichtige Faktoren wie Energieverbrauch und Wirtschaftlichkeit beim Entwurf stärker berücksichtigt werden als bisher.

Welche Lösungen gibt es?

Alphabetisch an erster Stelle dieser vergleichsweise neuen Kategorie der „Ecodesing-Software“ steht das Programm Ecotect Analysis von Autodesk. Es analysiert BIM-Gebäudedaten und visualisiert Umweltfaktoren dreidimensional. Am Massenmodell lassen sich standortspezifische Faktoren wie Verschattung, Thermik und Belüftung simulieren. Der zu erwartende Energieverbrauch lässt sich als Richtwert ermitteln, ebenso der CO2-Ausstoß. Werden Bauteile durch konkrete Materialien definiert, kann das Klima und die Luftzirkulation im Raum simuliert werden. Anhand detaillierter Analysen lässt sich ferner die Belichtung und Verschattung überprüfen. Mit der von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. entwickelten DGNB-Software zur Planung und Bewertung nachhaltiger Gebäude können in der Planungsphase verschiedene Entwurfsszenarien durchgespielt und das Gebäude im Blick auf Nachhaltigkeit optimiert werden. Relevante Objektdaten werden ausschließlich alphanumerisch eingegeben. Das Programm berechnet, wie das Gebäude in den sechs Themenfeldern und den Kriterien der DGNB abschneidet. Anhand einer Grafik sehen Planer sofort, in welchen Bereichen sich der Entwurf optimieren lässt. Mit dem an der ETH Zürich entwickelten Design Performance Viewer lassen sich in der Entwurfsphase der Energieverbrauch sowie energiebezogene Kosten analysieren und in das Gebäudekonzept einbeziehen.

Durch die Einbettung in eine CAD-Planungsumgebung (derzeit Autodesk Revit) ist ein Datenexport oder -import nicht notwendig. An den Normen SIA und EnEV orientierte, relevante Energiekennzahlen werden per Mausklick berechnet und visualisiert. Veränderung der Gebäudegeometrie, der Konstruktion und den technischen Systemen auf den Energieverbrauch sowie auf deren Kosten werden sofort ablesbar. Auch der auf dem Virtuellen Gebäudemodell von ArchiCAD basierende EcoDesigner von Graphisoft ermöglicht eine frühzeitige Energiebedarfsanalyse. Auf Basis der Gebäudegeometrie, detaillierter Klimadaten, der Gebäudenutzung, der U-Werte, Bauteile und HKLSE-Komponenten werden der jährliche Ener­giebedarf, die CO2-Emission sowie die monatliche Energiebilanz eines Projektes prognostiziert. Planer können damit in ihrer gewohnten Arbeitsumgebung den Gebäude-Energiebedarf frühzeitig ermitteln und analysieren, Entwurfsvarianten miteinander vergleichen und die Gebäude-Energiebilanz optimieren. Mit Virtual Environment offeriert das britische Softwarehaus IES gleich eine ganze Produktfamilie für die energieoptimierte Planung. Bereits in der Vorentwurfsphase können die VE-Toolkits überschlägig den Energieverbrauch oder die CO2-Emission eines 3D-Gebäudemodells ermitteln, das mit SketchUp, Revit, ArchiCAD oder anderen XML-basierenden Planungswerkzeugen generiert wurde. Entsprechende Plug-ins (Erweiterungsmodule) ermöglichen die integrierte CAD-Planung und Berechnung. Zu den weiteren VE-Werkzeugen gehören VE-Ware, VE-Gaia und VE-Pro, wobei sich die Produktvarianten im Wesentlichen durch die Präzi­sion der Berechnung unterscheiden. Die Preise für die hier vorgestellten Lösungen bewegen sich zwischen null Euro (z.B. VE-Ware von IES) und mehreren Tausend Euro (z.B. Autodesk Ecotect Analysis: 3300 Euro, zzgl. MwSt.).

Ecodesign? Aber (öko)logisch!

Rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs fällt bei der Gebäudenutzung an, was in den Industriestaaten wiederum etwa 40 Prozent aller Treib­hausgasemissionen verursacht. Damit ist klar, dass eine Senkung des Energieverbrauchs noch zu planender Gebäude auch ein wichtiger Beitrag für die Umwelt ist. Neben dem ökologischen gibt es auch einen ökonomischen Aspekt: Betrachtet man beispielsweise die Lebenszykluskosten eines Bürogebäudes, entfallen nur etwa 20 Prozent auf die Baukosten, aber rund 80 Prozent auf die Betriebskosten, wovon etwa 50 Prozent Energiekosten sind. Die Optimierung der Energieeffizienz von Gebäuden ist folglich nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit und eine originäre Aufgabe von Architekten und Ingenieuren. Ecodesign-Software sollte daher zu einem Standardwerkzeug in den Architektur- und Ingenieurbüros werden.

Marian Behaneck

Mehr zum Thema Nachhaltigkeit erfahren Sie auf dem Fachkongress effizienz.forum, der vom 4. bis 5. März in Freiburg seine Tore öffnet ( http://www.effizienzforum.de ).

INFO

Vorgestellte Produkte und Anbieter*

Autodesk Ecotect Analysis 2010 http://www.autodesk.de

DGNB-Software https://www.dgnb.de/de/

DPV – Design Performance Viewer http://www.keoto.net

EcoDesigner http://www.graphisoft.de

Virtual Environment (VE) http://www.iesve.com

Weitere Infos*

Ecodesign-„Infoknoten“ https://www.tuwien.at/mwbw/ikp/klft-ecodesign/ecodesign

Green Building XML (gbXML) https://www.gbxml.org/

Leitfaden „Nachhaltiges Bauen“ http://www.bmvbs.de

* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

INFO

Glossar: Ecodesign, Nachhaltigkeit … oder was?

Ecodesign: …(engl. Sustainable Design) orientiert sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit und hat zum Ziel, bei der Gestaltung von Objekten verfügbare Ressourcen möglichst effizient einzusetzen und dabei soziale und Umweltas­pekte zu berücksichtigen.

Energieeffizienz: …steht für das Bestreben, einen erbrachten Nutzen mit möglichst geringem Energieeinsatz zu erzielen und entspricht dem „Wirkungsgrad“, respektive dem Verhältnis aus Nutzenergie und eingesetzter Primärenergie.

Green Building: … bezeichnet Gebäude, deren gesamter Lebenszyklus (Konzeption, respektive Sanierung bis Abriss) darauf ausgerichtet ist, dass Ressourcen möglichst effizient genutzt und schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheit minimiert werden.

Nachhaltigkeit: …steht für das Prinzip, ein regenerierbares Systems so zu nutzen, dass es im Wesentlichen erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann.

Nachhaltiges Bauen: … strebt für alle Phasen des Lebenszyklus von Gebäuden eine Minimierung des Verbrauchs von Energie und Ressourcen sowie eine möglichst geringe Belastung des Naturhaushalts an.

Gebäudeentwurf aus der Ecodesign-Perspektive

Viele Faktoren beeinflussen die Energiebilanz von Gebäuden. Bereits die Standortwahl und Gebäudeausrichtung sind entscheidend: Liegt das Gebäude windgeschützt an einem Südhang oder exponiert auf einer Bergkuppe? Öffnet sich das Gebäude nach Süden, um möglichst viel solare Gewinne erzielen zu können? Neben diesen Fragen spielt auch die Gebäudeform eine wichtige Rolle, denn die Gebäude-Außenhülle sollte im Verhältnis zum beheizten Raumvolumen (A/V-Verhältnis) möglichst klein sein. Je kompakter eine Gebäudeform ist und je weniger Vor- und Rücksprünge sie aufweist, desto besser sind die Energiekennwerte. Zu den weiteren Faktoren zählen eine günstige Gebäudezonierung und Raumanordnung: Unbeheizte Treppen- oder Abstellräume sollten nach Norden orientiert sein und zusammen mit den niedriger temperierten Räumen (Flur, WC, Schlafzimmer etc.) ein Puffer um die Kernzone mit den Wohnräumen bilden, die nach Süden ausgerichtet sein sollten. Zu den weiteren Faktoren zählen die geschickte Fensteranordnung (großzügige Südfenster, kleinformatige Nordfens­ter), die Vermeidung konstruktiver Wärmebrücken, die Wahl energiesparender Bau- und Dämmstoffe, Bauprodukte und HKLSE-Systeme, die Einhaltung von Energiespar-Standards (EnEV, Luftdichtigkeit etc.), aber auch das Nutzerverhalten.

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