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Studien

“Nah- und Fernwärme lohnen sich nicht“

© ITG / FBI
Mit sanierten Einzelheizungen lassen sich die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung günstiger erreichen als mit Nah- und Fernwärmenetzen. Zugleich ist die Fernwärme für die Verbraucher in der Regel mit höheren Heizkosten verbunden. Das sind Ergebnisse der gerade veröffentlichten Studie „Dezentrale vs. zentrale Wärmeversorgung im deutschen Wärmemarkt“, in der beide Formen der Gebäudebeheizung verglichen werden. Wobei der Studienname ziemlich ungünstig gewählt ist, steht doch seit vielen Jahren Zentralheizung / zentrale Wärmeerzeugung für den Wärmeerzeuger im eigenen Gebäudekeller und nicht für Fern- und Nahwärme.

Jedenfalls sei eine generelle, politische Bevorzugung von Wärmenetzen aufgrund der höheren Kosten nicht gerechtfertigt. Derzeit werde der Wärmenetzausbau mit 250 Mio. Euro pro Jahr gefördert, kritisieren die sechs Institutionen und Verbände aus dem Bereich Einzelheizungen, die die Studie beauftragt haben. Würden die Fernheizer eine Gegenrechnung aufmachen, würde die Förderung für Einzelheizungen allerdings deutlich höher beziffert.

Die Studie sagt aus, dass der Ausbau von Wärmenetzen in bestimmten Fällen sinnvoll ist, bezogen auf den deutschen Gebäudebestand mit 18 Mio. Häusern sei er aber weder aus Sicht des Klimaschutzes noch aus finanziellen Erwägungen eine massentaugliche Lösung. Das ist eine wenig überraschende Antwort auf eine Frage, die eigentlich bisher niemand gestellt hat. Vielmehr wird das Abschalten der sehr häufig mit Kohle befeuerten Fernheizkraftwerke diskutiert und auch die Einsatzjahr(zehnt)e der bisher weit verbreiteten Heizsysteme sind gemäß den Klimaschutzzielen der Bundesregierung zwangsweise gezählt.

„Eine Sanierung mit dezentralen Heizungssystemen bietet in allen untersuchten Gebäudevarianten und Versorgungsgebieten wirtschaftliche Vorteile gegenüber einer Sanierung mit zentralen, wärmenetzgebundenen Versorgungssystemen“, heißt es in der Untersuchung, die von wissenschaftlichen Teams um Prof. Dr. Bert Oschatz vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden Forschung und Anwendung (ITG) sowie um Prof. Dr. Andreas Pfnür, Forschungscenter Betriebliche Immobilienwirtschaft (FBI) an der TU Darmstadt, erstellt wurde.

Zu der bisher nicht gestellten Frage, liefert die Studie sogar Zahlen. „Gesamtwirtschaftlich betrachtet wäre die netzgebundene Wärmeversorgung aller Bestandsgebäude über einen Zeitraum von 20 Jahren um 250 Mrd. Euro teurer als bei einer Erneuerung durch dezentrale Heizungen.“ Man muss kein Freund von Fern- und Nahwärme sein, aber wenn man bei dem Vergleich 20 Jahre als Zeitraum wählt, runzelt sich zumindest die Stirn.

So rechnen die Autoren vor, dass eine durchschnittliche Einzelheizung im Falle eines unsanierten Einfamilienhauses über einen 20-Jahres-Zeitraum um 14.757 Euro günstiger als die Fernwärme-Variante wäre. Bei den Berechnungen wurden übrigens bundesdeutsche Jahres-Mittelwerte für den Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 angesetzt und die Energiepreissteigerung einheitlich mit 3 % über die nächsten 20 Jahre angenommen. Heizöl, mit einer noch hohen Durchdringung im betrachteten Bestand, war in diesem Zeitraum nach Pellets pro kWh am günstigsten und Fernwärme mit Abstand am teuersten.

Die Auftraggeber der Studie (siehe unten) fassen diese wie folgt zusammen: „In Anbetracht eines begrenzten Investitionsvolumens könnten durch die Modernisierung von Einzelheizungen in der Regel auch mehr CO2-Emissionen eingespart werden als mit dem Einsatz von Wärmenetzen. Die klimapolitischen Ziele seien durch Optimierung von Einzelheizungen daher günstiger zu erreichen. Aufgrund dieser Ergebnisse sollten nach Einschätzung der Autoren die Rahmengesetzgebung sowie die bestehende Förderpolitik überdacht werden. Von übermäßigen Regulierungen und technologischen Einschränkungen für Gebäudeheizungen raten sie ab.“ Bezogen auf die CO2-Emissionen wurde allerdings nicht berücksichtigt, dass Fernwärmeanlagen in der Regel dem Emissionshandel unterliegen und sich dann eine Verlagerung der Wärmegewinnung in der Atmosphäre günstiger als die Sanierung einer Gas- oder Ölheizung auswirkt.

Auftraggeber der Studie sind der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), das Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO), der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), der Deutsche Energieholz- und Pellet-Verband (DEPV), der Industrieverband Haus-, Heiz und Küchentechnik (HKI) sowie die Initiative Pro Schornstein (IPS).Die vollständige Studie steht mit einer Summary auf den jeweiligen Internetseiten als Download zur Verfügung.

Apropos Prof. Dr. Andreas Pfnür: Im Auftrag des IWO hat er auch schon einmal prognostiziert, dass die energetische Sanierung der Wohnhäuser zu Armut führt, die einkommensschwache Mieter und Eigentümer und in der Folge Gemeinden und Bund, hart treffen wird. Armgerechnet lautete in GEB 2013-11 die Überschrift eines kritischen Beitrags von Werner Eicke-Hennig zu der Untersuchung. Daneben gab es zahlreiche weitere Stimmen, die die überzogenen Ansätze der damaligen Studie kritisiert und / oder bedauert haben. Zu der aktuellen Studie betitelte Die Welt einen Artikel mit: Krieg auf dem Wärmemarkt . Zu der völlig unrealistischen Fernwärme-Vollversorgung wird Pfnür in dem Artikel zitiert: „manchmal muss man eben ein wenig überspitzen, um die Effekte zu zeigen.“ In Berlin wird man über dieses Zitat dankbar sein. GLR