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ENERGIEPREISE

Bund der Energieverbraucher schaltet Verfassungsgericht ein

© COSKUNA / iStock / Thinkstock
Mit seinem Urteil vom 28.10.2015 (VIII ZR 13/12) hat der Bundesgerichthof (BGH) in letzter Instanz entschieden, dass Preiserhöhungen von Gas- und Stromversorgern bei Tarifkunden in der Vergangenheit zulässig gewesen seien. Das Urteil des achten Zivilsenats hat laut dem Bund der Energieverbraucher laut vielen Juristen und Verbrauchern Unverständnis, Erstaunen oder Empörung ausgelöst, während alle Erwartungen von Energieversorgern erfüllt wurden.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte nämlich noch ein Jahr zuvor ausdrücklich die Unvereinbarkeit der nationalen Rechtsgrundlagen für derartige Preiserhöhungen mit europäischem Verbraucherschutzrecht festgestellt. Angefragt hatte diese Prüfung zur Vereinbarkeit mit Europarecht der BGH beim EuGH selbst. Die höchsten deutschen Richter zogen jedoch aus der Antwort des EuGH nicht die Konsequenz, nunmehr ihrerseits die Entgeltforderungen der Energieversorger zurück zuweisen. Stattdessen meinten sie, eine „Regelungslücke“ in den Versorgungsverträgen erkennen zu müssen, die durch eine „ergänzende Vertragsauslegung“ zu schließen sei. Im Ergebnis wurde den Versorgern ein praktisch unbegrenztes Preiserhöhungsrecht zugebilligt.

In Abstimmung mit dem betroffenen Endverbraucher hat der Bund der Energieverbraucher daraufhin den Verfassungsrechtler Prof. Dr. Holger Zuck, Herausgeber eines Kommentars zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, eingeschaltet. Zuck hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil eingelegt und auch ausführlich begründet (Aktenzeichen 1 BVR 2971-15). Nach der sogenannten „Ausschöpfung des ordentlichen Rechtsweges“, kann nur noch über das Verfassungsrecht die Entscheidung des BGH angegriffen werden.

Die Beschwerde bemängelt, dass der BGH auch in seiner eigenen Rechtsauffassung die europarechtlichen Verbraucherschutzrichtlinien zu beachten hat. Auch an eine „ergänzende Vertragsauslegung“ sind die gleichen Maßstäbe anzulegen, wie an die inzwischen gekippten nationalen Rechtsgrundlagen. Hieran aber gerade mangelt es im Urteil des BGH. Im Zweifelsfall hätte der BGH seine beabsichtigte „Lösung“ erneut dem EuGH zur Prüfung vorlegen müssen, denn in den bisherigen Vorlagen hat der BGH nicht zu erkennen gegeben, dass er eine „ergänzende Vertragsauslegung“ beabsichtigte. Entsprechend konnte sich der EuGH zu dieser Frage auch nicht äußern.

„Im Ergebnis konstruiert der BGH einen nationalen Freiraum, der ihm nach dem unionsrechtlichen Treuegebot nicht zusteht. Damit verstößt der BGH in offenkundiger und entscheidungserheblicher Weise gegen seine Vorlagepflicht nach Art 267 III AEUV, verweigert dem Verbraucher seinen ihm zustehenden Richter und verletzt damit Artikel 101 I 2 des Grundgesetzes“, schreibt Prof. Zuck in der Verfassungsbeschwerde.

Wann das Bundesverfassungsgericht sich dazu äußern wird, ist derzeit nicht absehbar. Auch wirkt ein Richterspruch des Verfassungsgerichtes erst einmal nur für den Beschwerde führenden Verbraucher. Sollte das Verfassungsgericht jedoch die Entscheidung des BGH für unzutreffend erachten, wird dies auch bei den anderen Gerichten zur Beachtung führen. GLR